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Kniefall

Veröffentlicht in 18. Dezember 2013

Dezember 1970, Willy Brandt, damals Bundeskanzler, kniet am Eingang des ehemaligen Warschauer Ghettos wortlos nieder. Genau dort also, wo Deutsche schwere Schuld auf sich geladen hatten. Eine stumme Geste der Demut und der Bitte um Vergebung für alles, was unser Land den Menschen in Polen angetan hatte. Er habe das nicht geplant, hat Brandt später gesagt. Er habe einfach gespürt, dass nur ein Senken des Kopfs zu wenig wäre. In Deutschland kam das damals nicht so gut an. Die Polen aber haben die Geste verstanden. Politisch hat sie vielleicht mehr in Bewegung gebracht, als alle Worte es gekonnt hätten. Sie war der Auftakt zu einer Zeit der Entspannung, von der unzählige Menschen in Ost und West profitieren konnten. Heute steht nicht weit von diesem…

arschkalt

Veröffentlicht in 8. Dezember 2013

Es muss ein schöner Tag im Mai gewesen sein. 20 Grad. Sonnenschein. Ho Ho Ho…. bald ist Weihnachten. »Ich mache einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt,« so meine Idee. Von drinnen (frierend) nach draußen (meist auch frierend). Anderen Blickwinkel auf das Leben haben. Projekt Weihnachtsmarkt 2013. »Und was willst du verkaufen?« die Frage meiner um mich besorgten Freunde.
Verkaufen. Ja – das ist ein Grundgedanken des Weihnachtsmarktes. Man möchte verkaufen. Geschäfte machen. Meist wenig Idealismus. Geld verdienen. Was ja nichts schlechtes ist. Von Luft und Liebe lebt es schließlich karg. »Eigentlich möchte ich die Adventszeit mal anderes erleben«, so meine weitere Überlegung. Atmosphäre genießen. Weihnachtsbeleuchtung. Eigene Weihnachtsgeschichte. Mit den Menschen sprechen und so… das war mein Ziel.
Daneben ein paar Waren feilbieten – zwecks Amortisierung der Kosten.
»Welche Waren?« höre ich unken. »Aber nicht deine unverkäuflichen Toilettenpapierhalter«, lachend und/oder mitleidend – irgendsoein augenzwickernder Mix.

If you celebrate it, it’s art, if you don’t, it isn’t.
Wenn man es schätzt, ist es Kunst, wenn nicht, ist es keine.
John Cage

Denke ich. Wir werden ja sehen.

Vorneweg. Es waren vier wunderschöne Tage auf dem Burgplatz der Schillerstadt Marbach. Temperaturen erträglich. Publikum auch. Es wird in erster Linie gegessen auf einem Markt. Die Grillrote – Deutschlands liebster Snack. Ob Sommer. Ob Winter. Immer ein Hit. Und Glühwein. Zu Essen hatte ich nichts. Glühwein auch nicht. Mit voller Absicht und Bewusstsein. »Langweilig – hat ja jeder!« Was auch fast stimmte.

Für Aufsehen habe ich dann doch gesorgt. Mein Stand – einfach brilliant. Schulterklopfen. Eine Attraktion. Stadtgespräch. Das Bier süffig.
Kunst ging übrigens nicht. Keine Toilettenhalter. Nicht mal meine Kerzenständerkreationen. Aber wir werden ja sehen – 2014. Projekt Weihnachtsmarkt – die Planungen laufen. Wer mich kennt – so gut wie.

Kühe und Tomaten

Veröffentlicht in 3. Dezember 2013

Wenn du viel um die Ohren hast – dann musst du raus. Sofa ist langweilig. Daheim sterben die Leut – heißt es in einem Film. Also rein in die Clubs. Wingenfelder und Wingenfelder. Kai und Thorsten. Zurück zu alten Zeiten. Ja klar. Fury in the Slaughterhouse. Das war. Schön aber vorbei. Und jetzt zu zweit. Ob das gut geht. Bleibt alles anders? Das Konzert im schönen Club dasCann. Nahe dran. Wunderbar überschaubar. Schöner als alles andere. War nicht zum letzten Mal dort. Zu spät gekommen. Ging nicht früher – anderes war wichtiger. Im Foyer gemütlich ein Wulle in Plastik geholt und rein ins Getümmel. Was keines war. Umso besser. Freie Sicht. Das erstes Lied. Irgendwas philosophiert einer der Brüder (verwechsle die gerne) von Ähnlichkeit von Liebe und Bergsteigen. Und dann: ein Song mit Massiv-Hall. Das Berge-Echo direkt auf die Ohren. Liebe Tontechniker! Wenn ich persönlich was nicht ausstehen kann – dann massiv verhallte Lieder. Diese technische Weite in den Lieder. Die Gehörgänge vibrieren. Kleinhirn und Dickdarm. Ohrenbluten. ARGHHH. Vermutlich ein künstlerischer Wunsch der Brüder. Kann ja heiter werden, denke ich. Denke dabei eher an Rock’n Roll. Sehnsucht nach den alten Fury-Zeiten und satten Songs. Die dann auch kommen. Nicht viele. Aber immerhin. Satt – wie gewünscht. Pure. Neue Arrangements. Erfrischend anders. Remix von Won’t forget these days und so. Genial. So muss Livemusik sein. Platte hören kann ich auf Sofa.

Habe dann meinen Frieden gefunden. Früher war eben doch nicht alles besser. Fury war. Und die neue Bande auf der Bühne hat einfach Spaß gemacht. Lust zum Zuhören. Kurzweilig. Die Brüder Wingenfelder haben einfach noch Lust auf Musik machen. Kompliment. Gut so. Und Spaß dabei. Merkt man. Irgendwie fällt mir dann der Martin Schmitt ein. Hat auch einfach Spaß an dem was er tut und die Hoffnung eventuell doch noch den großen Wurf mit Sotschi zu landen. Und es niemanden zu beweisen müssen – wie die Wingenfelders. Das eigene Ding machen. Mehr Publikum wäre ihnen gegönnt. Mir persönlich reicht der kleine Club völlig. Es war ein schöner Abend. Danke. Gerne wieder.

won’t forget these days
and I never thought I would

Kühe und Tomaten. Neben Musik wird viel erzählt und gelabbert. Heiter und nachdenklich. Erklärt und mitgenommen – bis nach St. Malo. 

Giggs & Guns N‘

Veröffentlicht in 29. November 2013

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»Wenn Ryan rannte, rannte er wie der Wind. Er war so leichtfüßig unterwegs, dass Du ihn nicht hören konntest. Er hatte diese natürliche Wendigkeit, die in Kombination mit dem Ball nur die großartigen Spieler besitzen. Ohne respektlos gegenüber [David] Beckham und Scholesy [Paul Scholes] zu sein, aber er [Giggs] war der einzige, der immer ein Superstar war.«
Steve Bruce

Happy Birthday Ryan Giggs. Heute wird er vierzig. Spielt seit 1987 bei Manchester United. Hat als aktiver Spieler nie den Verein gewechselt. 668 Ligaspiele. Ist selbst dem erfolglosen walisischen Nationalteam treu geblieben. Die Menschen werden weinen, wenn Giggs sein letztes Spiel machen wird. Das wird noch dauern. Selten – daher ungewöhnlich schön.

Ansonsten heute. Vorletzter Tag im November. Grau in Grau mit Regen. Noch grauer als üblich der Durchgang am Feuerbacher Bahnhof. Tristesse. Inhaltslos der TV-Interview-Zoff zwischen Gabriel – nicht der Engel – und der Slomka. Das ZDF wird dafür auf  YouTube massenhaft geklickt. Die ersten Massen strömen auf die Weihnachtsmärkte die just heute ihre Buden öffnen. Und die ersten Nikoläuse bevölkern Busse und Bahnen. Im Bus gegenüber ein Pärchen. Händchenhaltend. Füllig. Beide. Was hier aber nichts zur Sache tut. Tunnelblick nach vorne. Beide Kopfhörer in den Ohr. Unterschiedlich natürlich. Die anderen Hand fingert jeweils am Smartphone rum. Gemeinsam einsam scheint es. Schaue weg. Täusche mich gerne.
Die Adventszeit beginnt. Da rücken die Menschen zusammen. Auch emotional und warten auf das Christkind. Na denn – schönes Wochenende.

When I look into your eyes
I can see a love restrained
But darlin’ when i hold you
Don’t you know i feel the same
But nothin’ lasts forever
And we both know hearts can change
And it’s hard to hold a candle
In the cold november rain
»Novemberrain« | Guns N’ Roses

Hüte.

Veröffentlicht in 28. November 2013

Rekorde um Rekorde. Anerkannt guten Fußball. Zudem erfolgreich. Kein Dusel. Kunst und Können. Zurückhaltung – vielleicht eine genießende – seitens der Offiziellen. Und die Spieler. Fröhlich. Locker. Sympathisch. Ich kenne ja keinen persönlich. Aber was sie von sich geben. Nicht einfach dumm daher geschwätzt. Respekt vor den anderen. Das steht ihnen gut. Auch weil sie einfach gute Fußballer sind.

Dass der Präsident in seinem Privaten auf Steuerbetrug macht, kann dem Verein nicht angelastet werden.

Und sie haben einen Weltmenschen als Trainer – der alle andere irgendwie klein und provinziell aussehen lässt. Was wohl nicht seine Absicht ist. Der Pep hat einfach Pep. Congrats. Und Hut ab (zum Ersten).
Also irgendwie immer schwieriger die allgemeine Fahne »Ich hasse den FC Bayern forever« zu schwingen. Ich gleite eher in das trotzige »Ist doch mir egal. Sollen machen was sie wollen« ab. Und das tun sie auch. Mit Freude. Das »Mia san mia« nervt einfach. Nicht witzig. Nicht lustig. Nur blöd. Haben sie – zur Zeit – gar nicht nötig. Steht ihnen nicht – obwohl zu.

Hut zum Zweiten
Aber nun gibt es wieder einen Grund zu maulen, schimpfen und »eben deshalb mag ich den FCB nicht«. Danke Fan-Shop des FC Bayern. Joa mai wie lustig kommts den ihr daher. Was für eine Gaudi. Eine Trachtenjacke genannt Janker (der frühere Fußballer hieß übrigens Jancker – mit ck). Dazu passend der Trachtenhut für 29,95 €. Nur dass mit dieser Art von Hüten zwischen 1933 und 10. Oktober 1945 deutsche Jugendliche in kurzen Hosen und Röcken unterwegs waren. Motto: »Was sind wir? Pimpfe! Was wollen wir werden? Soldaten!«
Betroffen von diese Jugenddienstpflicht ca. 98% der Jugendlichen. Leider! Schlimme Zeit.
Die Mütze. Vorbelastet. Was für eine Schwachmaten-Idee. Verkaufsstop. Stampft sie ein. Wehret den Anfängen. »Ihr seid zwar ihr«. Aber doch nicht so. Die steht dem FCB nicht. Diese Mütze lässt jeden beschissen aussehen.
Aber Hand aufs Herz. Ich habe noch keinen Bayern-Sympathisanten mit dieser Mütze gesehen. Das ist gut so. Wenigstens diese bewahren hier Contenance. Danke dafür. Und Hut ab (zum Dritten).
Ansonsten Fan-Shop-FC Bayern. Setzen. Sechs!

Bildquelle: Fanshop des FC Bayern / unbekannt

Go out for a spin

Veröffentlicht in 22. November 2013

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When the spirits are low, when the day appears dark, when work becomes monotonous, when hope hardly seems worth having, just mount a bicycle and go out for a spin down the road, without thought on anything but the ride you are taking.

Wenn du niedergeschlagen bist, wenn dein Tag dunkel erscheint, wenn dein Tun eintönig wird, wenn deine Hoffnung wertlos wirkt, setze dich auf ein Fahrrad und gehe raus auf die Straße für eine Runde, denke an nichts anderes als die Fahrt die du gerade machst.

Sir Arthur Conan Doyle in Scientific American 1896

Einen Weg für mich

Veröffentlicht in 20. November 2013

Gott, zu dir rufe ich in der Frühe des Tages. Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu dir, ich kann es nicht allein. In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht; ich bin einsam, aber du verläßt mich nicht; ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe; ich bin unruhig, aber bei dir ist Friede; in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist Geduld; ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt einen Weg für mich. (Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung) Heute ist Buß- und Bettag. Für evangelische Christen ein Tag der Besinnung und Neuorientierung im Leben. Der Gedenktag dient dem Nachdenken über individuelle und gesellschaftliche Irrümer wie beispielsweise Ausländerhass, Umweltzerstörung und die Ausgrenzung von Armen und Obdachlosen. Der…

Fußball – immer und überall

Veröffentlicht in 19. November 2013

Heute ist möglicherweise das letzte Fussballspiel in der Regelung Dienstag/Donnerstag-Fussballspiele. Klassiker Deutschland vs. England. So stand es geschrieben. Ist mir irgendwie gar nicht so bewusst. So verlautete der UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino dieser Tage. »Wenn wir das Wochenende anderen Sportarten überlassen, wird uns das auf lange Sicht schaden.« Mhhh. Ohhh. Ahhh. Sind Samstag und Sonntag keine Fussballspiele? Wann wird eigentlich dann gekickt? Habe ich etwas verpasst? Kommt im TV außer Fussball (ganzjährig – selbst Sommerpause) und Biathlon (Winterzeit) eigentlich was anderes im TV? Beziehungsweise in welchem TV. Und wer kann es wo sehen. Mein privates Sky-Abo endet in ein paar Tagen. Grund: der dann neu zu zahlende Preis ist es mir nicht mehr wert. Fehlender Mehrwert. Das Kneipen-Sky muss man in Kürze mit dem Fernglas…

37.183ter

Veröffentlicht in 17. November 2013

Amazing. Unbelievable. NYC. New York City Marathon. Einzigartig. 26.2 Meilen sprich 42.195 Meter durch eine faszinierende Stadt. Gefühlte Million Menschen an der Strecke. Millionen Eindrücke. Bleibend. Vermutlich über Jahre hinweg. Etwas was man nicht vergisst. Ein Höhepunkt. Absolut.

Schon der Start. Mühsam, aber sehr gut organisiert in Bussen hingekarrt. Über 50.000 Runners müssen erst mal versorgt werden. Vor dem Start – eine andere Dimension. Keine Wartezeit. Nicht am Tee. Donuts. Nicht an den Dixies. Phänomenal.

Dann die Verrazano-Bridge. Spektakuläre Sicht auf alles. Die Stadt. Die Strecke. Die Mitläufer. Ein Schuss – mehr nicht. Wenig – hätte etwas mehr sein dürfen. Und es geht los. Stadtteil um Stadtteil. Lautes Brooklyn. Unzählige Live-Acts von HipHop bis Gospel. Von »Smells Like Teen Spirit« bis »Country Roads«. Gänsehaut. Gespentische Stille im orthodoxen Teil von Williamsburg. Meilen sammeln – auf eine andere Art und Weise. Ups and Downs. Nicht nur was das Höhenprofil angeht.
Brücke. Halbzeit. Erstes Gehen. Brücke. Manhattan. Endlose 1th-Avenue. Bei 30k die Rettung. PowerBar for free. Aufgerissen – reingedrückt. Zweimal. Dreimal. Gott sei Dank. Hungerast vermieden. Bronx gemeistert. Nicht locker – aber nicht verkrampft.
5th-Avenue – kleines RunnersHigh. CentralPark – Best Place for Running. Nicht heute – heute reicht ankommen.

Ziellinie. 4:55:23h voll mit Emotion.

Die Begeisterung von Menschen ist ansteckend. Egal ob als Helfer, Zuschauer und Mitläuferinnen. Alle ziehen an einem Strang für einen guten Tag. Und es war ein Guter. Es war überwältigend. Und macht Lust auf mehr.

Platz 37.183 von 50.167 Finishern.

Man wird durch einen Marathon nicht zum Helden. Man lernt Demut. Das allein genügt.

Rüpel.

Veröffentlicht in 14. November 2013

Zebrastreifen. Was ein Wort. Jeder oder besser viele wissen sofort was gemeint. Ein Fußgängerüberweg. Und ich bin ein Rüpel. Erst gestern wieder. Als Ergebnis einer neuen Studie beschreibt der Auto Club Europa (ACE) Fahrradfahrer als “Zebrastreifen-Muffel” und “Rüpel-Radler”, weil sie angeblich die Regeln nicht beachteten. Der ADAC. Nein! Der ACE. Wie sangen einst die Stuttgarter Fans beim einem DFB-Pokal-Spiel zwischen dem VfB und dem Zweitligisten (?) FSV Frankfurt »selbst in Frankfurt kennt euch keine Sau«. Gleiches kann man getrost auch vom ACE sagen. 560.000 Mitglieder. Hauptsitz Stuttgart. Vereinszweck »Vertretung seiner Mitglieder insbesondere in den Bereichen Verkehrssicherheit, Verkehrspolitik, Verkehrsrecht, Steuerpolitik, Verbraucherschutz.« Na prima. Den Vereinszweck kenne ich übrigens nicht – obwohl ich Mitglied sprich ein Cluberer bin. Aber auch nur weil mir schon einmal bei…