
Dezember 1970, Willy Brandt, damals Bundeskanzler, kniet am Eingang des ehemaligen Warschauer Ghettos wortlos nieder. Genau dort also, wo Deutsche schwere Schuld auf sich geladen hatten. Eine stumme Geste der Demut und der Bitte um Vergebung für alles, was unser Land den Menschen in Polen angetan hatte. Er habe das nicht geplant, hat Brandt später gesagt. Er habe einfach gespürt, dass nur ein Senken des Kopfs zu wenig wäre. In Deutschland kam das damals nicht so gut an. Die Polen aber haben die Geste verstanden. Politisch hat sie vielleicht mehr in Bewegung gebracht, als alle Worte es gekonnt hätten. Sie war der Auftakt zu einer Zeit der Entspannung, von der unzählige Menschen in Ost und West profitieren konnten. Heute steht nicht weit von diesem Ort ein Denkmal. Eine Bronzeplatte zeigt den knienden Kanzler Willy Brandt. Und auch den Platz in Warschau, auf dem es steht, haben die Polen nach ihm benannt.
Brandt war Christ, auch wenn er dem Glauben kritisch gegenüber stand. »Ich weiß nicht, ob es Gott gibt. Ich lasse das in der Schwebe«, hat er einmal zu seinem Sohn gesagt. Wie auch immer Brandts Glauben aussah. Als er sich damals wie zum Gebet niederkniete, hat er im entscheidenden Moment intuitiv das Richtige getan.
Heute wäre er 100 Jahr alt geworden.
Quelle: SWR Gedanken | Martin Wolf, Kaiserslautern / Bildquelle: unbekannt
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