Beiträge aus der Kategorie “BallZauber

abwegig

Veröffentlicht in 12. April 2015

In den Augen des Frankfurter Philosophen Martin Seel ist Fußball ein »Mysterium der Kontingenz«, und damit meint er: »Im Fußballspiel könnte alles auch ganz anders sein. Niemand kann sagen, wohin und zu wem der Ball gerade springt, er ist immer auf Abwegen, er ist wild und unberechenbar, unbestimmbar und unvorhersehbar. Das Ungewisse und Zufällige bilden das Geheimnis des Mannschaftsspiels. Erwartbar ist nur das Unerwartbare.« Die Pointe liegt hier gewissermaßen auf dem Fuß: Damit die Anarchie des »abwegigen« Balls ins Rollen kommt, braucht es eine feste Regel. Die Regel ist gleichsam die Bedingung für das Regellose, für all das Unerwartete, Zufällige und Spektakuläre in einem Spiel. Damit alles immer anders wird, muss die Regel gleich bleiben, und was immer an Unvorhergesehenem auch geschehen mag: Nach…

Royal Flush

Veröffentlicht in 21. November 2014

Es gibt sie. Die Spiele des Lebens. Spiele, bei denen allein die Ansetzung dich in Verzückung versetzt. Der Royal Flush. Im Poker genannt mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 0,0032 Prozent. Das ist wenig. Nicht die Spiele in einer Serie. Nicht wiederkehrend. Die Feiertage. Im Fußball – davon rede ich – mit einer Häufigkeit ähnlich einem Royal Flush. Dem Königsblatt. Bestmöglich. Spiele binnen Sekunden ausverkauft. Wenn überhaupt Karten in den freien Verkauf gelangen. Klingt seltsam. Auch das ist das Spiel. Schon alleine eine Karte zu ergattern nicht ganz einfach. Es sei denn du bist Very Important. Wer ist das schon? Mr. Super-Wichtig. Und will das sein. Viel wichtiger: Pflichtspiele. Es muss um was gehen. Freundschaftsspiele, Vorbereitung- und Benefiz- sind für‘n Arsch. Hier fehlt das Leben.…

vs. Leverkusen LII #8

Veröffentlicht in 21. Oktober 2014

Man nehme Kreide. Grüne rechteckige Packung mit weißer Beschriftung. Rechteckige Felder auf den Boden malen und los gehts. Eins-eins-eins-beide-eins-beide-drehen-beide. So in etwa sind wir durch die Straßen gehüpft. Spielstraßen gab es noch nicht. Waren nicht notwendig. Man ging zu Fuß. Und immer wenn ich heute ein Feld sehe, was selten genug ist, hüpfe ich oder es juckt zumindest zu hüpfen. Das war unser Himmel und unsere Hölle in jungen Jahren. Und diese beiden bedeutungsvollen Worte gingen leicht über die Lippen. Wieviel Hölle und wieviel Himmel das Ballspiel auf dem rechteckigen Grün mit weißen Linien an den Tag brachte – ich kann es nur vermuten. Für den Journalisten genug. Vermutlich zum verrückt werden. Spaß wird es nicht immer allen gemacht haben. Fan-Michael jedenfalls sah nur…

Hertha LII #7

Veröffentlicht in 7. Oktober 2014

CHO14-barefoot_3000

Kurios. Herb. Fröhlich soll es zugehen. Eine gute Zeit wollen wir gemeinsam erleben. Für die Meisten, vielleicht kann man sagen für alle ist dieser Fall eingetreten. Einige ungehörte, leise Bruddler gibt es immer (?). Angeblich gerne in der schwäbischen Landschaft (!).
Ein Bergsprint-Radrennen über 202 Meter. 14 Prozent Steigung. Kopfsteinpflaster. Jeder gegen Jeden. Und doch gemeinsam. Dieser Spagat glückt. Die Menschen lassen sich darauf ein. Am Gassenrand mit Begeisterung. Auf der Rennstrecke mit Schweiß und Begeisterung. Ein Lächeln. Tausendfaches Lächeln. Dazu scheint die Sonne. Traumwetter.
Vergessen wir nicht die Kreativität. Geprobt. Genäht. Getragen. Kostüme. Verkleidungen. Die einfach Freude machen. Den damit Gesehenen. Und den Erstaunten. Wie verrückt.
Vergessen wir nicht die Räder. Geschraubt. Geputzt. Gefahren. Alter Bock und Carbon-Maschine. Alleine oder zu Zweit. Achtzehn oder Eingang. Mühevoll auf den Punkt zusammengeschweisst oder vielfach rennerprobt. So bunt wie alles an diesem Tag.
Vergessen wir nicht das Ankommen. Einfach. Irgendwie den Berg bezwingen. Die »Kurve der Erkenntnis« ob der Steilheit. »Smokers End« wenn es flacher wird und kurioserweise das Herbe erst beginnt. Die Muskulatur sagt »Good Bye«. Den voigtsche »Shut Up, Legs!«-Schalter haben die Wenigsten installiert.
Vergessen wir nicht das Siegen. Im Höllentempo gen Torturm-Gipfel. Kräftig ist zu wenig. Die Startnummer 55 hat seine Kettenstrebe verbogen. Der Schnellste einen Platten. Der Sieger liebt das Rennen in all seiner Vielfältigkeit.
Wir nennen es Cobble Hoppel. Jedes Jahr am dritten Oktober.
Achja… nach dem Rennen haben die Weiss-Roten das Ihrige vergeigt. Hat heute nicht wirklich interessiert.

Foto: Bernd Häußermann | Passende Musik: Ray Collins‘ Hot Club – Barefoot

vs. Hannover LII #6

Veröffentlicht in 30. September 2014

Kleider machen Leute ist eine Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller. Erstmals 1874 erschienen. Die Geschichte handelt von dem Schneidergesellen Wenzel Strapinski, der sich trotz Armut gut kleidet. Er gelangt in eine fremde Stadt und wird dort wegen seines Äußeren für einen polnischen Grafen gehalten. Nachdem er aus Schüchternheit versäumt hat, die Verwechslung aufzuklären, versucht er zu fliehen. Doch da betritt eine junge Dame, Tochter eines angesehenen Bürgers, den Schauplatz. Die beiden verlieben sich ineinander, worauf der Schneider die ihm aufgedrängte Grafenrolle weiterspielt. Ein verschmähter Nebenbuhler sorgt dafür, dass der vermeintliche Hochstapler entlarvt wird. Auf der Verlobungsfeier kommt es zum Skandal. Strapinski flieht, seine Braut aber findet ihn, rettet ihn vor dem Erfrieren und stellt ihn zur Rede. Als sie sich davon überzeugt hat,…

BVB LII #5

Veröffentlicht in 24. September 2014

Vor dem Spiel Unruhe. Viel Gequatsche. Fredi Bobic ist raus. Entlassung laut Medienberichten via Telefon. Fiktiv: Bei Fredi Bobic klingelt dasselbe.
»Bobic«
»Wahler«
»Hi Bernd. Was gibts? Alles weiss-rot?«
»Hi Fredi. Wir sind gerade zusammengesessen. Mittagessen und so. Der Joachim und ich sind der Meinung – verstehe das nicht falsch – aber du kennst ja das Spiel.«
»Was meinst du Bernd? Bin gerade mit den Jungs in Vorbereitung für heute abend.«
»Ja ähhh…. wir meinen es ist das Beste, wenn wir also – das ist nichts gegen dich persönlich – bist ein guter Junge – aber wir müssen handeln. Wir, also der Joachim und ich, müssen an den Verein denken. Läuft ja alles nicht so rund. Ähh. Wir wollen trennen! Dich von deinen Aufgaben entbinden. Aber Danke. Wir sehen uns dann in Stuttgart. Gute Heimfahrt.«
Laut BILD ist kurze Zeit später Fredi Bobic mit dem PKW auf dem Rückweg nach Stuttgart. Die Stuttgarter Zeitung meldet bereits am Vormittag. Seltsam. Vermutlich vor Bobic. Die Art und Weise der Trennung ist die unseres Tabellenplatzes würdig. Ganz unten. Von der Sache her vermutlich in Ordnung. Begründbar. Von Fans gefordert. Von Bobic »provoziert« mit »an der Mannschaft könnt ihr mich messen.« Jetzt passiert. Rauswurf per Telefon. Wobei ein User irgendwo postet  »besser Telefon als mit What’s App«. Wohl war. Man muss nicht den Maßstab von ganz unten neu definieren. Das »war« auf Wikipedia: »Diese Seite wurde zuletzt am 24. September 2014 um 19:58 Uhr geändert.«

2 Minuten später auf’m Platz. Anpfiff. Mit zwei Toren geführt. Was was besonderes war und im Fanblock dementsprechend gefeiert wurde. Selten genug. Träumen erlaubt. Noch zwei eingefangen. Häufig genug. Aufgewacht. Gekämpft. Linie geklärt. Abpfiff.

Pommes, Cola und Café im Goldenen M. Warten. Heimfahrt. Morgenfrüh um 7 Rückkehr nach Stuttgart. Die Nacht nicht geschlafen. Das habe ich mit Fredi gemein. Denke ich. Also bin ich, sagt der Philosoph.

München LII #3

Veröffentlicht in 16. September 2014

Ich bin noch nie auf einen hohen Berg gestiegen. Einmal auf dem Aguille du Midi. Mit der Luftseilbahn. Zählt nicht. Meine zu Fuß. Irgendwie war es nie an der Zeit und das wandern nicht mein Ding. Was ja nicht heißen muss dies nie zu tun. Geplant ist es nicht. Wobei Menschen sagen, dass es ein erhabenes Gefühl sein soll. Ganz oben zu stehen. Es auf sich genommen zu haben. Das Ziel vor Augen. Etwas geschafft zu habe. Kein Heldenepos schaffen – nein nur für sich selber. Wahrhaftigen Erlebnisse und Eindrücke für die Ewigkeit. Die bleiben. Keiner Erklärung bedürfen. Die Bilder und den Stolz immer im Herzen tragen. Das Erzählen ist nebensächlich. Für die meisten Menschen eh nicht nachvollziehbar. Nicht die Anstrengung. Nicht das Wissen…

vs. Köln LII #2

Veröffentlicht in 2. September 2014

1408_tristesse_3000

 

Trist. August 2014 in Deutschland. Von der Sonne nicht verwöhnt. Eher trist. Am vorletzen Tag doch noch etwas Sonnenschein. Gänsehaut. Nicht wegen etwaiger Kälte. Die Pre-Stimmung – genannt Vorfreude riesig. Heimspiel Kenn es – mal wieder – nur von der Erzählung und vom Live-Ticker. Bitter genug. Mein Platz bleibt leer. Die Ernüchterung früh. Trist soll es gewesen sein. Triste. Trister. Tristen. Wobei das letztere der Plural Dativ ist. Die Betonung liegt jeweils auf dem mittigen »i«. Was es auch nicht besser macht. Der Franke wird das »r« trotzdem rollen. Wortgeschichtlich wird Tristesse in Deutschland seit Ende des 18. Jahrhunderts verwendet. Ein Lehnwort aus dem Französischen. Nach Friedrich Seiler wurde der Begriff aus einem Bedürfnis nach reicherer und feinerer Abtönung des Ausdrucks, das aus einer zunehmenden Vertiefung und Verfeinerung der Anschauung resultiert, zusammen mit einer ganzen Reihe von Beiwörtern übernommen. Bei der Entlehnung des Worts fand ein Bedeutungswandel statt, bedeutet Tristesse im Französischen noch einfach »Traurigkeit«, erhielt der Begriff im Deutschen eine ästhetische Dimension. Eine enge Verzahnung zwischen Emotion und Ästhetik ist jedoch schon alt. Augustinus von Hippo fragte in seiner Schrift De vera religione schon im 4. Jahrhundert: »Sind die schönen Dinge deshalb schön, weil sie Freude bereiten, oder bereiten sie Freude, weil sie schön sind?« Begrenze ich die Schönheit des Fußball auf das Gewinnen. Oder ist Gewinnen alles damit es schön ist und mir damit Freude bereitet. Gehe ich ins Stadion wenn ich im vorhinein weiß dass es Mist wird? Und mal ehrlich. Zauberfussball war nicht zu erwarten. Ein Sieg möglich. Soll es nach Franz Beckenbauer «Ja gut ähhh« eh nur eine Möglichkeit geben: «Sieg, Unentschieden oder Niederlage!»

Begrenze ich meine Laune auf das was auf dem Platz passiert. Assoziere ich wenn ich mir auf Arbeit den Arsch aufreiße, sollen die das gefälligst auch tun. Aus dem WIR im Erfolgsfall wird schnell das verächtliche DIE. Und das viele Geld. Ist das mein Recht als Anhänger? Oder scheiß-drauf. Ist es – um in »schwarz-gelb« zu sprechen ECHTE LIEBE. Der Brustring real oder nur ein Hautausschlag? VfB-Fantum oder irgendwas undefiniertes. Wenn die Wahrheit allein in der Schönheit liegt, dann ist das »schöne Spiel« nicht nur im Fußball die Erfüllung des Menschheitstraums schlechthin. Schlecht geträumt. Mal wieder. Dabei haben WIR nur gegen Köln verloren. Wie eigentlich immer zuhause. Trist. Mehr nicht. Sonntag war Regentag. Garantiert der Letzte im August 2014. Guys. Cheer up! Geht raus und spielt Fußball!

 

Gladbach LII #1

Veröffentlicht in 26. August 2014

Erst Essen. Dann Abwasch. Beim Zubereiten der Speisen mache ich mir noch keine großen Gedanken. O Shit. Der ganze Mist muss ja wieder gespült werden. Nein. Ich denke am Anfang nicht an das Ende. Eins nach dem anderen. Das ist kein besonders kluger Schachzug. Keine Altersweisheit. Nein. Mitnichten. Auch kein Selbstschutz. Volle Konzentration und auch Freude auf das was ansteht. Ich denke am Anfang der Saison nicht an die mögliche Schlußplatzierung. So zwischen 8 und 12 meinen Menschen, die unseren Weiss-Roten wohlgesonnen sind ist könnte möglich sein. Ich denke in den Anfangsminuten eines Spiels nicht an den Abpfiff. Beim Hinweg nicht an die Rückfahrt. Den Krimi schaue ich niemals hinten beginnend. Wozu auch. Einzig den Kuchen von breit hinten nach schmal vorne. Und beim…

Bochum

Veröffentlicht in 19. August 2014

Dienstag nach Bochum. Wenn ich ehrlich bin… in unserer augenblicklichen Situation und den 1000 Fragezeichen ist mir Pokal eher unwichtig. Zwar schade – aber für Berlin hätte es eh nicht gereicht. Das ist kein Zweckpessimismus. Was unter leidenden Fußballfans für gewöhnlich sehr verbreitet ist. Hätte übrigens auch nicht gedacht, dass man Pessimismus vorne mit 2 hinten mit je einem »s« schreibt. Spricht man doch ganz anders. Das dritte »s«  ist doch ein gefühlter dreifacher Toeloop. Kann mich nicht erinnern zuletzt diese Wort geschrieben zu haben. Vielleicht noch nie… Nie hätte ich auch mit einer Niederlage gerechnet. Irgendwie durchgewurschtelt. Wie immer. Gelte als Optimist. Was mich automatisch zu einem miesen Tipper macht. Die spannende Aufgabe wird sein in den nächsten drei Jahren ein Team aufzubauen,…

Für das Spiel. Für die Welt.

Veröffentlicht in 18. Juli 2014

Die Euphorie ist schon wieder vorbei. Angeblich. Nur paar Tage her als Mario Götze’s Tor (ausgerechnet…) uns zum Weltmeister machte. Die Fahnen sind eingeholt. Business as usual. Die WM hat den Lebensrhythmus vieler Menschen ordentlich durcheinander gewirbelt. Und alle warten auf das Nationaltrikot mit den vier Sternen. An der türkischen Küste bieten Händler vermutlich bereits das fünfsternige Trikot feil. Für wenig Geld. Original natürlich. Alles in allem. Es waren schöne Fußballtage die so manche Gänsehautentzündung (Danke Mehmet Scholl. Ganz großartig. Der beste von allen – nur immer in den falschen Vereinen aktiv) auslöste. Die Euphorie ist vorbei. Endlich. Für die meistens jedenfalls. 2016 geht es weiter. Frankreich. Denkste. Bald gehts los. Und ich erinnere mich gerne an die unendliche Diskussion vor der Fußball-WM 2006.…

5474902014

Veröffentlicht in 9. Juli 2014

Was ist geschehen? Worte fehlen. Unglaublich. Mir war klar dass wir gewinnen werden. Unsere Nationalmannschaft ist so auf ihr Spiel und den Erfolg fokussiert. Nicht erst seit gestern. Manches blieb während des Turniers unerkannt. Den Hebel auf Sieg gestellt. Vielleicht vergleichbar mit Sebastian Kienles Sieg beim Ironman Frankfurt vergangenen Sonntag. Die Sprinterfolge des Marcel Kittel bei der Tour de France. Eine natürlich Folge. Aber so? Historisches Ausmaß? Oliver Fritsch von DER ZEIT: … Danach weinten die Menschen in den gelben Trikots auf der Tribüne. Ein Mann mit traurigem Gesicht klammerte sich an einen Pokal aus Pappe. Es war ein Schock, der die lauten Brasilianer minutenlang verstummen ließ. Dann hörte man mehrere Schreie einzelner Menschen. Brasiliens Spieler erstarrten. Das Spiel, dieses Turnier war sehr wichtig…