Tagesgedanken Murr x Madrid (Freitag)

Uiuiui. Hausfriedensbruch. Der Campingplatz öffnet erst im Mai.
Jetzt heißt es Augen auf. Umschauen wo das Nachtlager aufschlagen. Ich denke es ist ein Ferienhaus komplett verschlossen und verriegelt. Kein Zaun. Kein Zaun bedeutet keine Hunde. Auf der Rückseite eine kleine Terrasse. Nicht einsehbar. Mein Schlafplatz. Immer mit dem unguten Gefühl etwas ungesetzliches getan zu haben, fremdes Grundstück betreten und so. Schnell weg.
Sitze kurze Zeit später in Felletin. Das GRAND CAFE. Genauso, wie ich es mir vorgestellt habe. Brechend voll. Die Inneneinrichtung eine Sensation. Kein Foto zu machen – ein Bild des Anstandes. Es ist eine eigene Welt, die auch funktioniert. Vielleicht besser als in der Hektik des menschlichen Treibens. Besser: Umtriebigkeit. Es ist das Gefühl des Empfindens. Ohne Umtriebigkeit kannst du die Stille nicht schätzen.


Zurück zum GRAND CAFE. Ein Trugbild? Ich weiß es nicht. Bin auf der Durchreise. Ein Ort geschaffen für eine Filmkulisse. Die Leute gefühlt alles Schauspieler. Charakterköpfe. Der Film wird bereits gedreht. Nur ich wirke hier mit meiner gelben Windjacke und den bunten Haaren deplatziert.
Sprachlich natürlich eine Katastrophe. Fünf Jahre französischer Unterricht in der Schule sind spurlos an mir vorbeigegangen. Nicht der Rede taugbar. Merci. Bonjour. Je veux. Dann mit dem Finger auf etwas zeigen. Au revoir. Ich fühle mich dumm. Punkt.
Nächste Woche an diesem Ort, einstellige Temperaturen und in der Nacht Minusgrade. Regenwahrscheinlichkeit hoch. Ich fühle mich so vom Glück beschenkt.
Reifendruck ok. Der Propfen hält. Ich rolle weiter – hügelauf hügelab.

Ein Frosch platt wie ne Flunder. Bereit zum Einkleben ins Poesiealbum. Keine Froschzäune und Wege weit und breit (Breitmaulfrosch). Die Frösche sollen springen. Freiheit den Fröschen.

Bei meinem Lieblingsverein ist mal wieder Dampf im Kessel. Im Rundbrief meines Fanclubs steht vieles Richtiges drin. Bei einem würde ich widersprechen. Egal. Zeit zu denken – dann sind die Hügel (franz. Colline) kleiner. Vielleicht sollte ich doch Präsident werden. Ne Abfahrt später lassen meine Gedanken verschwinden.
Und Standortpatriotismus ist gewünscht bezüglich Ausrüster. Es geht um viel Geld. Sehr viel. Fussball ist Geld. Kapiert es doch endlich. Wenn ich Präsident werde, würde ich meine Dauerkarte in der Kurve behalten.

Ein Wohnmobilfahrer hupt und winkt mir freundlich zu. Gleichgesinnt. Nur anders. Wohnmobilstellpätze killen Zeltplätze, zumindest Öffentliche die es hier in Vielzahl gegeben hat. Leute mehr zelten. Kann ecklig ungemütlich sein – aber geiler is schon. Habe vor Jahren mir mal geschworen, NIE mehr zu zelten. Meineid. Für mich – nicht auf die Bibel. Ich schwör.

Kleine Gänge bedeutet auf großem Ritzel zu fahren. Mein Gott, ich liebe Widersprüche.

Heute viel Wald. In der Ferne Hundegebrüll. Hunde. Meine Anzahl von Begegnungen der unschönen Art ist erfüllt. Vor Jahren wollte ich von Kathmandu nach Lhasa fahren. Mit dem Rad. Solo. Gruppenreisen verpönt. Gecancelt. Der Hunde wegen. Gilt für alle. Außer Hanni. Weltklasse. Ich zeig ’s halt nicht. Ich bin so. Manchmal Eisklotz.

Die schönste Übernachtungplätze sind im jetzt. Tagsüber siehst du natürlich wunderbare auch klar, aber das ist unnützes Denken. Aber es ist zugegeben, eine der Herausforderungen auch Stressfaktor.

15 Uhr. Gerade mal 70 km auf der Garmin. Nicht viel, aber es waren Höhenmeter angesagt. Ungefähr 100, 200 oder 300 Steigungen und Abfahrten. Du meinst, du hast ein Gefühl, wenn du oben bist. Aber ne. Geht immer weiter. Gnadenlos. Ich kann die Steigungen lesen auch wenn ich sie noch nicht sehe. Weil klar ist, dass sie kommen werden. Reine Kopfsache. Beine gut.

17 Uhr. Hotel gebucht. 20 Kilometer Umweg. Weiter Höhenmeter. Auch klar. Größere Stadt (Limoges) von der ich vorher noch nie was gehört habe. Toller Bahnhof. Ein älterer Mann spielt Klavier. Ein Kind klimpert. Was eine Atmosphäre. So kann Bahnhof sein. Die Einfahrt in die Stadt mit einer Rampe (was sonst) ist dagegen die Hölle.