Tagesgedanken Murr x Madrid (Mittwoch)

Was ein Tag. Hätte ich das früher gewusst. 100 Kilometer auf und ab. Nichts (ok zwei Rampen) wildes. Aber permanent. Als passionierter Kanal-Entlang-Pedaleur eine Herausforderung. Und die Erkenntnis – so früh so gut in Form sein, ist nicht. Form egal – viel aufrecht. Die Anstiegen beugen mich.


Aber der Reihe nach: aufstehen. Aus dem Schlafsack raus. Das ist noch mal eine ganz andere Liga, als nur die Bettdecke zur Seite zu kippen. Das Zeltdach möglicherweise feucht vom Atmen.
Außentemperatur 7°. Mein Schlafsack hat Wohlfühl-Temperatur -5%. Da mir schnell friert, deshalb ok. Eine Wissenschaft für sich. Die aufgehende Sonne macht alles einfacher und angenehmer. Die Morgenroutine ist, Dinge so verstauen, dass du sie wieder findest. Vermisse übrigens meine getrockneten Aprikosen. Keine Ahnung, wo sie sich versteckt halten. Kaum zu glauben, mit so wenig Ladefläche. Dann Zähneputzen für nen feinen minzigen Geschmack. Kannst du einbeinig deine Socken anziehen? Vielleicht so ein Ding, dass man verlernt, wenn man nicht regelmäßig übt. Dann mal los, der Tag und die nächsten Kilometer warten. Auch die Höhenmeter. Ich bin vorgewarnt. Den Kaffee gibt es unterwegs. Ich will ja ankommen, wo immer das heute auch sein wird. Ein kleines Ziel habe ich – später dann auch erreicht. 18 Uhr 25 fahre ich vors Hotel. Akkus laden. Unterwegs nicht wirkliche Alternativen gesehen. Vielleicht sollte ich kein Ziel definieren. Morgen plane ich kürzer. Die Route etwas verändert. Radwegeschilder schenken mir irgendwie Sicherheit. Wie die Skipiste, die am Ende des Tages noch mal kontrolliert wird.

Die Tage vorher überlegt – ich war ja auch in der Nähe – nach Lyon zu fahren. Dort spielt heute Abend, Toni Kroos. Frankreich vs. Deutschland. Wenn Toni mir schon entgegenkommt. ZWINKER.
Aber Grundregel eins beim Bike Packing. Ich bin nicht und will auch nicht der Bikepacking-Guru sein. Den Begriff Papst lasse ich wissentlich weg. Bin ja nicht katholisch. Jeder und Jede sollte seinen, ihren eigenen Weg finden. Diese entstehen ja erst beim Gehen, singt Heinz-Rudolf Kunze. Das gilt auch für Ausrüstung übrigens nicht einfach irgendwelche Listen anschauen, die mit denen anderen durch die Welt zu tingeln. Du musst auch hier deine eigene Dinge für dich finden, die dir wichtig sind. Den kleinen Falthocker den ich eingepackt habe ist jedenfalls scheiße. Mir fehlt nur der Mut den wegzuwerfen. Ich schau mir solche Filme natürlich sehr gerne an, weil sie Motivation und Inspiration sind.
Zurück zur Grundregel: meide Großstädte viel Verkehr, schwierige Verkehrsführung, Ampeln, volle Konzentration nötig, macht 0,0 Freude. Deshalb nicht Lyon, sondern eine andere französische Kleinstadt. Mit der Idee in einer französischen Kneipe das Fußballspiel anzuschauen. Fündig wurde ich nicht. Spiel ist erst Samstag, lese ich gerade. Ah.
Trotz den Auf und Abs (auch bei mir) tolle Landschaft. Viele Wiesen und Weiden. Und Hecken. Weiße Kühe, eine Menge an Pferden. Eines lehnt seinen Kopf an einen Baum. Ein Haus mit mehr als zehn Fenstern wird wohl Chateau genannt. Kleine Straßen (passen kaum 2 Autos aneinander vorbei) am Rand nette Häuser, klein wie die Straße selbst. Bilderbuch oder es nagt der Zahn der Zeit. Viele leerstehend, verfallen oder zum Verkauf. Was willst du auch dort außer Kunstmaler oder Schriftstellerin zu sein. Oder Rentner*in sein. Dörfer mit Kirchen. Dörfer ohne Kirchen. Kirchen ohne Dörfer. Und so richtig abseits … Stuttgart21 lässt grüßen. Hier fertig.

Außer es sollte ein Bahnhof werden. Die wenigen Autos und Lieferwagen sind meist weiß. Mit Ab- und Anstand vorbeifahrend. Manche winken. Steile These: Je bunter die Autos, desto unentspannt.