Ich muss überlegen – zweimal sogar – bis mir Zwiefaltendorf einfällt. Der Dorfname wohlgemerkt. Manche Dinge gibt es wo doppeltes bis dreifaches Nachdenken von Nöten ist. So auch Zwiefaltendorf. Nie auf Anhieb. Keine Ahnung warum. Eselsbrücke. Zwiefalten – deutlich bekannter. Dann Dorf. Das klare Wasser der Zwiefalter Ach mündet hier in die Donau.
»Am Stammtisch? Wenn’s Recht ist. Die Herrschaften haben sicherlich nichts dagegen. Ein naturtrübes Bier?« fragt mich der Wirt beim Eintritt in die Gaststube. Keinesfalls geschäftstüchtig wirkend. Eher ein guter Gastgeber sein wollend. Gelungen.
Die Gaststube brechend voll. Klein. Alle Tische besetzt. Ungewöhnlich laut. Die Menschen sprechen miteinander und lachen. Vielleicht tut das Bier der eigenen Hausbrauerei ein übliches. Gesellig – nichts von Festzeltatmosphäre.
Stammtisch. Mitten im Gastraum. Vorne drei Stühle. Davon Zwei frei. Rechterhand ein Mann essend auf der Stirnseite. Rechts von mir seine Frau. Ebenfalls essend. Belegt einen der drei Stühle. Vermutlich wurden den Beiden diese Plätze ebenfalls zugeteilt. Hinten eine Eckband. Beim Hinsitzen wirst du gemustert. Ist so. Gegenüber ein Mann. Blick nach unten gerichtet. Rollt die Augen hoch. Blickkontakt. Und geht – eine rauchen wie sich später herausstellen soll.
Links stirnseitig ein älteres Ehepaar. Sie links. Er rechts sitzend. Seine rechte Gesichtshälfte durch einen Schlaganfall gezeichnet.
Statt des rauchenden Mannes setzt sich eine Frau hin. Mittleren Alters. Mir gegenüber.
An einen Stammtisch setzt man sich nicht einfach hin. Hier sitzen normalerweise die, die immer hier sitzen. Selber Tag. Selbe Stunde. Rituale. Als Fremder störst du. Im Schwäbischen im Besonderen.
Doch Hunger schlägt Unbehagen.
Essen und gehen. Traue mich nicht mein Kindle aufzuklappen. Obwohl mein Buch sehr lesenswert. Unpassend. Liegt nutzlos neben einem kleinen Stapel von runden Bierdeckeln. Bedruckt mit dem Logo der Gaststätte.
Mein Bier kommt. »Zum Wohl,« wie man für gewöhnlich sagt.
Und plötzlich entwickelt sich ein Gespräch. Woher? Warum? Über Gott und die Welt – wie Menschen zu sagen pflegen. Und Politik. Entgegen amerikanischen Pubs (No Politics. No Religion.) wird in deutschen Kneipen politisiert. Und wie. Wunderbar. Es ist Ostersamstag. Die Deutschen verlieren gegen England. Am Stammtisch keine Einheimischen. Das Lokal leert sich zunehmens. Wie unsere Bierkrüge. Das Gespräch nimmt an Fahrt auf.
»Ihr werdet gut schlafen,« meinte der Wirt zum Abschied. Recht hat er – wie sich rausstellen wird. Auf dem Heimweg Totenstille und Sternenhimmel.
Die Osternacht 2016 in Zwiefaltendorf.
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