
Einwand 3: Sollen wir dem grausamen Treiben denn einfach zuschauen?
Nein. Eine friedenstheologische Position ist nicht gleichbedeutend mit teilnahmsloser Passivität. Die derzeitige Situation erfordert eine Reaktion. Die Frage ist jedoch: Mit welchen Mitteln? Eine militärische Intervention scheint längst gerechtfertigt. Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch: So mancher „gerechte Krieg“ wurde entgegen der ursprünglichen oder offiziellen Absicht mit zweifelhaften Motiven geführt. Welche Ziele verfolgt die »Allianz der Willigen« im Irak? Hält sie sich in ihren militärischen Aktionen ihrerseits an das Recht, das sie von ihren Feinden einfordert? Warum ertönt in so vielen anderen Fällen menschenverachtender Ungerechtigkeit kein Ruf nach Schutzverantwortung? Wir sind überzeugt: Das Böse muss konfrontiert werden. Aber militärische Gewalt erscheint uns dazu ungeeignet. In den folgenden Punkten sehen wir einige alternative Möglichkeiten: Beten. Viele Christen bitten Gott im Gebet um erstaunliche Dinge. Wer etwa trotz schlechten Wetterprognosen um schönes Wetter bittet, erwartet nicht weniger, als dass Gott die meteorologischen Gesetzmässigkeiten ausser Kraft setzt. Warum schwindet dieses Vertrauen in Gottes Möglichkeiten aber oft so rasch, wenn es um Krieg und Frieden geht? Wenn wir in diesen Tagen für die Opfer und bedrohten Menschen, aber auch für die Täter beten, tun wir das im Glauben an die göttliche Verheissung: »Nicht durch menschliche Macht und Gewalt wird es dir gelingen, sondern durch meinen Geist!« (Die Bibel: Sacharja 4,6). Gewaltfreie Friedenseinsätze. Oft unbeachtet von der öffentlichen Berichterstattung wagen Menschen in verschiedenen Konfliktregionen dieser Erde, sich ohne Waffen zwischen die Fronten zu stellen. Sie verschliessen die Augen nicht vor dem Bösen, sondern konfrontieren es mutig mit ihrer unbewaffneten Präsenz. In ihrer Verletzlichkeit durchbrechen sie das klassische Freund-Feind-Schema, was unerwartete Handlungsspielräume ermöglichen kann. Eindrückliche Berichte solcher Friedenseinsätze zeugen da-von, dass es einen »dritten Weg« gibt und stellen damit herausfordernde Anfragen an gängige Lösungsmodelle. Sie erinnern uns weiter daran, wie wichtig der Kontakt mit Menschen und (kirchlichen) Gemeinschaften vor Ort ist, um sich nicht von der medialen Berichterstattung unbedacht dazu verleiten zu lassen, eine undifferenzierte Einteilung in »die Guten« und »die Bösen« vorzunehmen. Auf der Suche nach einem angemessenen Vorgehen gegen den IS-Terror, wollen wir daher in besonderer Wei-se auf die Stimme direkt betroffener Christen hören. Flüchtlingshilfe. Unsere täuferische Geschichte erinnert an viele Menschen, die auf Repression und Verfolgung mit Flucht reagiert haben. Viele haben dabei enorme Solidarität und Gastfreundschaft erlebt. Mit einer ähnlichen Grosszügigkeit können wir in diesen Tagen auch Verantwortung übernehmen. Sei dies in Form von Nothilfe vor Ort oder mit der unbürokratischen Aufnahme von Flüchtlingen hier in Europa, die derzeit von den politischen Behörden noch viel zu oft verhindert wird. Polizeieinsätze. Unter dem Stichwort »just policing« denken kirchliche Kreise über den Einsatz internationaler (!) Polizeitruppen nach. Ausgebildet in gewaltfreier Konfliktlösung und gebunden an internationales Recht und Menschenrechte, könnten sie eingesetzt werden, um Menschen zu schützen. Ob dies gänzlich ohne Waffen möglich wäre, ist umstritten. Würden diese jedoch nur sehr zurückhaltend – z.B. zur Sicherung eines Flüchtlingskorridors – eingesetzt, wäre dies dennoch eine gänzlich andere Strategie, als mit einem grossangelegten Militäreinsatz die Vernichtung des Feindes anzustreben. Friedenskirchliche Kreise, die derartige Einsätze als akzeptabel erachten, plädieren dabei stark für eine »nicht-tötende Gewaltanwendung«.
Quelle: Mit Gewalt gegen Gewalt? Eine Stellungnahme aus friedenskirchlicher Optik | Kollegium des Theologisches Seminar Bienenberg
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