Personen auf den Gleisen. Herrschaftszeiten, denke ich. Innerlich ruhig, wie der Zug, der still steht. Anders geplant. Dabei habe ich versucht, das Beste daraus zu machen. Schon die S-Bahn mit Verspätung bringt vieles durcheinander. Die Unpünktlichkeit der Bahn ist ein großer Feind der Demokratie, habe ich unlängst in einem Podcast gehört. Der Grund: fehlende Verlässlichkeit.
Der Mensch möchte sich verlassen können, ein Grundvertrauen in eine Sache, in einen Menschen haben. Kann ich gut nachvollziehen. Ob deshalb die Demokratie ins Wanken kommt — das kann ich nicht allgemein beantworten. In meinem Denken: nein. Ein Nebenschauplatz — mehr nicht. Es ist der kleine Stein, der Schneeball, der die Lawine meist auslöst. Schon im Bus brüllt eine Frau den Busfahrer an, was ihm einfalle, mit Verspätung hier anzukommen. Ich denke, er ist da. Sie denkt anders. Das Gebrüll macht den Bus nicht pünktlicher.
Wieso sind auch Personen auf den Gleisen? Herrschaftszeiten! Habe da wenig Verständnis für. Schnell denke ich an das Gewehr, um diese Personen zu entfernen. Was ich schnell wieder von mir weise. Ein richtig blöder Gedanke. Die Konsequenz wäre, dass jede und jeder rumballern könnte. Bewaffnet — ich bin für absolutes Entwaffnen — in allem. Die persönliche Konsequenz des Entwaffnens ist das Wagnis, verletzlich zu werden — und darin vielleicht neue Freiheit und Vertrauen zu finden. Das ist es. Für mich.
Als Kind habe ich lernen dürfen, von was man sich am besten fernhält. Gleisanlagen gehören dazu. Groß die Gefahr fürs eigene Leben. Habe das kapiert. Wenn ich Personen auf Gleisen entdecken würde, würde ich vermutlich »Hi, ihr ARSCHLÖCHER!!! Runter von den Gleisen!«
Der Zug steht immer noch. Pläne kommen durcheinander. Termine können nicht eingehalten werden. Natürlich gibt es Schlimmeres. Den Unmut kann ich nachvollziehen.
Verspätung lastet,
Pläne zerfallen im Lärm —
der Stein rollt talwärts.
Wer sich umbringen will, könnte sich überlegen eine Überdosis Insulin zu sich nehmen — soll ein guter Übergang zwischen Leben und Tod sein, habe ich gelesen. Vermutlich der falsche Moment, sich darüber Gedanken zu machen. Schlimm genug, dass es Gedanken solcher Art bei Menschen geben muss. Aber auch dafür gibt es Gründe, die es zu tolerieren gilt. If: nehmt Hilfe an, das meine Bitte. Auf viel befahrenen Gleisen kippt die Trauer um den Menschen.
Viele lange Minuten später zuckelt der Zug weiter. Auf den Schildern steht: »voraussichtlich 40 Minuten Verspätung«.
Herrschaftszeiten, hat eine gewisse komische Wirkung, weil es nicht mehr als Fluch empfunden wird, sondern eher als »liebevolles Schimpfen« und innerliches Luft ablassen. Ich entgehe der Gotteslästerung.
