Als ich Celle verlasse, entdecke ich unterwegs gleich mehrere schöne Schlafplätze. Ein Zelt aufstellen, ausruhen, fertig – manchmal braucht es nicht mehr. Vielleicht ist es einfach die Müdigkeit, vielleicht liegt es daran, dass der erste Tag einer Reise noch nicht ganz das Loslassen zulässt, sondern man in vertrauten Sicherheitsstrukturen denkt. Vielleicht ist es auch immer so. Keine Ahnung. Jedenfalls fahre ich mit einem guten Gefühl aus Celle hinaus.
Ich passiere die »Food Mafia« (fragt mich nicht) und die Firma Moeck – Musikinstrumente und Verlag. Zu wissen, dass meine Blockflöte aus Celle stammt, ist eine schöne kleine Erinnerung.
Seit dem Verlassen der Lüneburger Heide prägt die Landwirtschaft stärker das Bild: mehr Ackerbau, mehr Weite.

Viele Felder sind bereits abgeerntet, der Mais steht noch – teils sattgrün und bewässert, teils schon ausgedorrt und erntereif. So wirkt es, als wolle man die Ernte bewusst in Etappen strecken. Überall ragen Windräder in den Himmel, in jede Richtung.

Nach Jahren der Zurückhaltung habe ich mir endlich wieder ein VfB-Trikot gegönnt. Heute ist Spieltag, also trage ich es auch gleich. Als Radtrikot funktioniert es überraschend gut – ob ich mich darin richtig wohlfühle, muss ich erst herausfinden.

Die Radwege sind einmal mehr wunderschön. Ein guter Mix aus Asphalt und Gravel, nie zu viel oder zu wenig, nie zu lang oder zu kurz. Viele Wege führen entlang von Büschen, Bäumen, oft auch Alleen. Zuhause sind die meisten davon verschwunden – vermutlich, weil die Autofahrer zu doof dafür sind. Ein kleines Stück entlang des Mittellandkanals.
In meinem Kopf klingt noch das Interview nach, das Robert Habeck der taz gegeben hat. Heute beim Frühstück gelesen. Voll die Leseempfehlung. Es spiegelt auch meine Haltung zur Politik: Enttäuschung – trotzdem der Blick nach vorne. Gleichzeitig spüre ich, wie dringlich ich mir Veränderung wünsche. Politisch heißt das für mich, dass ich mir den Rücktritt von …. wünsche. Das Bild mit dem wurstgefresse des Söder‘s als Fetisch lächelt mich an. Irgendwie traue ich einigen nicht über den Weg.

Ein Badesee auf dem Weg wirkt unappetitlich: eine trübe Brühe mit seltsam grünlichem Film am Ufer. Ein See weiter hüpfe ich ins Wasser, eine kurze Erfrischung. Der Zugang ist problemlos, obwohl weiter vorne als Anglersee und Privatgrundstück ausgerufen. Ich liebe dies, gefühlte pure Freiheit. Es ist ein Selfie. Unter Menschen nicht so meines ;-)

Nach 65 Kilometern rolle ich in Braunschweig ein. Mein erstes Etappenziel. Heute Abend dann der VfB im DFB-Pokal, ausgerechnet bei der Eintracht. Ich bin gespannt – noch letzte Woche stand ich in der Kurve zwischen den Braunschweig-Fans, alles in Blau-Gelb. 1967, das Meisterjahr, haben sie sich als Denkmal gesetzt – verdammt lange her. Der frühere Trainer Torsten Lieberknecht hat einmal gesagt: »Wir sind halt der kleine Pissverein.«

Heute Abend wird es sich zeigen. Ich freue mich. Ich bin gespannt.
