Keine Ahnung, was ihn geritten hat. Was und Wen ihn reitet. Und Warum?
In Untertürkheim steigt er ein. Weißes T-Shirt, normaler Typ. Der Mann im weißen T-Shirt. Kaum eingestiegen füllt er die S-Bahn mit seiner Stimme.
»HALTS MAUL. ICH KOMME AUS ZWICKAU. INGOLSTADT ÄHH REGENSBURG. SCHEISS STUTTGART. KOMM NÄHER UND ICH HAUE DIR EINE, DASS DU DEIN WUNDER ERLEBST.«
So in etwa, und in Dauerschleife. Aufgeregt, der Mann in weiß. Eine stille Gelassenheit über den Fahrgästen.

Er wirkt nicht wirklich aggressiv, mehr wie einer, der sich selbst im Echo verliert. Vielleicht Alkohol. Vielleicht nichts außer sich selbst.
Immer wieder stehen Leute auf, wollen unaufgeregt Ruhe reinbringen. Am Neckarpark Schluss: Türen auf, Türen zu, Stillstand. Polizeieinsatz. Jemand hat gepetzt. Alle raus. Mahlzeit.
Ich habe Zeit. Wäre ich in Eile, Anschlusszug oder ähnliches – dann Prost, Mahlzeit. So bleibt es nur eine Geschichte. Der Mann im weißen T-Shirt legt mal eben die S-Bahn-Strecke nach Esslingen lahm. Ein Mann! Ein Depp. In Weiß.
Später radle ich nach Stuttgart. 500 Meter weiter: derselbe Mann, diesmal umstellt von zwei Polizeiautos und vier Beamten. Wenig später: Bushaltestelle, er allein. »SCHEISS DAIMLER«, schreit er jetzt in Richtung Straßenasphalt und Museum.
Ich bin kurz davor, zu ihm zu gehen, und ihm in aller Ruhe zu sagen:
HALT DU DEIN BLÖDES MAUL.
DU DEPP, DU DEPP, DU DEPPERDER DEPP DU.
Ich lasse es sein.
Stattdessen trete ich weiter in die Pedale.
Am Cannstatter Wasen wachsen die Zelte in den Himmel. Eisen, Planen, Gerüste, alles im Aufbau. Noch riecht es nach Erde, Holz und Diesel, noch nicht nach Bier und Zuckerwatte, gebrannten Mandeln. Ein paar Wochen, dann ist Volksfest. Der Herbst tastet sich heran.
Oh Mann – wir sind schon verdammt weit im Jahr.