Ich sitze mit Freunden in gemütlicher Runde. Ein erster schöner Sommerabend. Lange ist es angenehm auf der Terrasse zu sitzen. Mit Weitblick. Nicht nur für die Augen. Schön ist es bei uns. Gespräch, Getränke und Essen genießen. Zuhören. Reden. Lachen. Das Besondere und doch nicht – wir machen das jeden Mittwoch. Morgen ist Feiertag. Weshalb, so unsere Vermutung, die Menschen länger sitzen. Länger genießen als vielleicht an anderen Tagen. Morgen ist frei.
»Was ist eigentlich Fronleichnam?« Die Frage steht plötzlich im Raum, wie ein angetrunkenes Weinglas. Zugegebenermaßen ein seltsamer Name. Schnell kommt »Happy Kadaver«. Ich mag diese Bezeichnung nicht, zu wenig Geschmack. Leicht verabschiede ich mich aus der Diskussion mit der Begründung, dass ich nicht katholischen Glaubens bin. Ich mache es mir einfach. Meine katholischen, besser ex-katholischen Freude winken auch ab. Wir sind uns ziemlich eins, dass der Feiertag wohl nicht in allen Bundesländer gefeiert, besser: nicht gearbeitet wird. Driften schnell auf Himmelfahrt und Pfingsten. Ohne eine Antwort zu finden. Und finden, dass es absolut OK für uns ist, in Baden-Württemberg zu sein. Weil eben frei.
Fronleichnam
Ein bisschen klingt es wie ein misslungenes Wortspiel: Froh + Leichnam. Irgendwas mit Freude und Tod? Froh über einen Leichnam? Nicht sehr katholisch. Oder doch? Ich google. »Fronleichnam – Hochfest des Leibes und Blutes Christi«. Die katholische Idee, dass in der Messe Brot und Wein wirklich zum Leib und Blut Jesu werden. Kein Symbolkram, kein Bild, sondern Realpräsenz. Das ist natürlich schwer zu verdauen – nicht nur theologisch.
Ich erinnere mich an frühere Radausfahrten, in Städten und Ortschaften. An eine Art feierliche Ehrenrunde durch die Stadt, Gesang, Musikverein, Baldachin und Blumenteppich. Weiße Gewänder. Der Grund: damit das, was im Innersten geglaubt wird, auch mal draußen gesehen wird. »Tut dies zu meinem Gedächtnis«, sagt Jesus.
Fronleichnam
Der Tag, an dem sich der unsichtbare Gott auf dem Gehweg zeigt. Zwischen Hortensien, Hummeln und Hitzeflimmern. Für mich als Protestant wirkt das immer ein bisschen wie barockes Glaubenstheater – schön anzusehen, aber irgendwie nicht meine Bühne. Nicht meine Art, nicht mein Gedanke meinen Glauben zu leben. Und doch: Hat Wirkung. Irgendwie. Ich gebe zu – irgendwas hat das: das Körperhafte des Glaubens. Dass Glauben nicht nur Denken ist, sondern auch Riechen, Sehen, Singen. Dass man nicht nur »innerlich glaubt«, sondern auch äußerlich zeigt, was man liebt und wem man folgt. Gott lebt in Ritualen. Selbst wenn sie nicht meine sind. Vielleicht ist das ja der wahre Trick dieses Tages: Dass er mich – protestantisch, nüchtern, wortverliebt – ganz kurz daran erinnert, dass auch mein Glaube Körper hat. Geschmack. Klang. Bewegung. Glauben, Gott nach außen tragen. Das Tam-Tam ist fein für mich.
Es scheint die Sonne. Wettertechnisch liegt ein guter Tag vor mir. Ich habe nichts vor. Ich werde heute nicht viel erklären. Nicht den Himmel. Nicht das Leben. Niemandem. Kurz draußen sein – riechen, sehen, ohne zu singen. Zu schauen, ob das Unsichtbare vielleicht doch einen Schatten wirft. Es ist Fronleichnam. Irgendwann werde ich am Straßenrand stehen. Anteilnehmen. Ich verschiebe, die Betonung liegt auf irgendwann. Mache es mir wie oft einfach.
