Ich muss jetzt erst einmal schlucken. In meiner Online-Tageszeitung ploppt eine Werbung von Underberg auf. Vier Männer mittleren Alters. Erfolgreich in der Musik unterwegs. Mit fantastischen Liedern. Die da, die ich mag. Die »4« werben dort für: Underberg.
Genau: das Getränk, das seit meiner frühen Jugend mit dem fröhlichen Ohrwurm »Komm doch mit auf den Underberg …« signalisiert… was eigentlich? Über den Berg zu kommen? Über welchen? Oder was?
Ich trinke seit über einem Jahr, normalerweise, keinen Alkohol. Es gibt eine Ausnahme und die bleibt. Mit dem ohne, fühle ich mich weder besser noch gesünder. Ich mache es halt. Punkt. Den Seiter kriegen wir. Bin mal gespannt welche Alkoholiken mich in naher Zukunft verführen wollen.
Meine Geschichte mit Underberg ist eine Kurze. Wer meint es mit einem hippen Getränk zu tun haben, täuscht sich. Neben allen den unterschiedlichen Kräuterdingen auf dem Markt, scheint mir der Underberg eher ein Schattendasein zu führen. Versteckt sich selber hinter Papier. Der Look erinnert an die Prohibition und soll wohl Handarbeit, Apothekenflair und Naturverbundenheit – passend zur Positionierung als gesundheitsfördernder Kräuterbitter vermitteln. Aha, verstehe.
Es ist lange her. Fröhlich und gut gelaunt stehen wir am Bahnhofsvorplatz in Cannstatt. Auf dem Rückweg vom Neckarstadion. Das Ergebnis, den Gegner weiß ich nicht mehr. Ist eher sekundär. Früher war Ergebnis noch weniger als heute. Von der Wichtigkeit meine ich. Ziemlich menschenleer. Schnell einen Happen essen zu später Stunde. In der Döner-Bude ist noch Licht. Getan. »Haben sie einen Averna?« Dieser Kräuterlikör ist intern eher hochgerankt, als andere. »Nein.» Jägermeister? »Underberg!« Wir schauen uns an. Gegenseitiges zunicken. Ja denn. Aufschrauben. Anstoßen. Runterkippen. Schlucken. Weg mit. Geschmack? Keine Ahnung. Keine Reaktion in Mund und Gaumen. Ich meine mich zu erinnern, dass wir den Underberg für umme bekommen haben.
Kurze Zeit später. Der Underberg ist in meinem Darm angekommen. So knapp oberhalb meines Bauchnabels. Wühlt sich, besser brennt sich, durch. Habe ich Brennnesseln (mit 3 n) verschluckt? Sind Brennnesseln Kräuter? An damit komme ich jetzt fröhlich über einen Berg, denke ich als allerletztes. Hat Wirkung. Wir schauen uns an. Die Wirkung bei allen ähnlich. Minuten später lässt das Brennen nach. Aufgeräumt. Haben die doch Recht? Wir waren zu Viert und machen uns auf den Heimweg. Fröhlich sind wir sowieso.
Fragen bleiben:
- Wieso macht der gar nicht mal so schlechte Schauspieler Frederick Lau Werbung für einen Sportwetten-Anbieter?
- Günter Jauch für eine Online-Apotheke?
- Die Fantastischen 4 für Underberg?
- …
WIESO um »um Himmels willen«? Der Bestandteil »willen«, eigentlich ein erstarrter Akkusativ, wird kleingeschrieben.
Im Gegensatz zu meinen den mir auferlegten Regeln (»seid ihr von Sinnen?«) habe ich mir Konzert-Tickets für die ferne Zukunft gekauft, besser gesichert. Eine Wertanlage. Ich werde die »4« mal fragen.
