Ich halte kurz inne.
Wer ist nicht betroffen von den Geschehnissen dieser Tage? Selbst wenn das eigene Leben anscheinend „normal“ weiter dümpelt. Wenn ich es mir erlauben kann, gedrosselt. Wenn nicht, normal oder in voller Fahrt. Wird ja irgendwie von mir erwartet. Daily Business. Im Selbstmitleid erstarren – keine Alternative.
Die Dimension dessen was die Geschehnisse dieser Tage beinhaltet, ist mir nur in der Theorie bewusst. Nicht übertragbar. Dankbarkeit. Bilder prägen sich ein.
Ich habe das Glück der Zeit, dass es in meinen Tagen keinen Krieg, keine Terror-Anschläge, keine Naturkatastrophen in meiner unmittelbaren Umgebung gab. Die mein Leben, mich, ausbremsen. Einzig Betroffenheit. Ohnmacht. Trauer – ja manchmal auch Wut.
Diese ist vergänglich – was gut ist. Und Vergessen zu können, ist trotz allem, auch ein Ding um das eigene Leben meistern zu können. In Gedanken bewahrend.
»Wenn man diszipliniert ist und der Zukunft Vorrang gegenüber der Gegenwart einräumt, kann man die Struktur der Realität zu seinen Gunsten ändern.«, schreibt Jordan B. Peterson.
Wenn das mit der Disziplin so einfach wäre. Wenn es auf die offenen nötigen und offenen unnötigen Fragen eine Antwort, einen Sinn geben würde.
Nein tun sie nicht.
Vergangen Samstag durfte ich eine Laufveranstaltung moderieren. Es scheint vieles in der Szene seinen normalen Lauf zu nehmen. Und doch nicht. Ich habe das Gefühl, dass die Selbstverständlichkeit einer Sache sich in Richtung des „Doch-immer-wieder-Besonderen“ weiterentwickelt. Dass allein „etwas Vermisstes“ zurückkehrt, ist ein gutes Gefühl. Und: Dass wir Menschen vielleicht doch – wieder einmal – die Chance bekommen die Gegenwart zu schätzen um die Zukunft zu lieben.
Zukunft ist das was in ein paar Sekunden geschieht. Die ich mit jedem meiner Worte und Taten beeinflussen kann. Im GROSSEN wie im kleinen.
Die Zukunft, das ist die Zeit, in der ich sterben werde. In der ich „Unterlassenes“ und „Geschehenes“ für mich bewerten kann, um mein Denken, Fühlen und Handeln im Jetzt zu ändern. Damit ändere ich die Zukunft. Das ist mein Opfer für die gute Sache.
Während ich den Start ankündige, lade ich zu einer Gedenkminute ein. Paar Worte – gut gewählt. Aus dem Bauch heraus. Für eine kurze Zeit totenstill. Beeindruckend. Wie Freitag zuvor im Fußballstadion. Wie Sonntag beim Friedensgebet. Wie Donnerstag auch. Wie in vielen anderen Gedenkminuten zuvor. Und wie …
Ganz ehrlich. Ich mag keine Sekunde mehr für Gedenkminuten und Friedensgebete wegen Krieg und Terror vergeuden. Schnauze voll. Flasche leer. Ich mag diese Zeit lieber nutzen um mit Menschen, der Welt das Leben zu feiern. Mit Gebeten dem Leben und den Menschen danken.
Wann – hört das auf?
Wann denkt Mensch für den Menschen?
Wann wird aus Leid – Freud?
Utopie? Fromme Wünsche?
Ich lese, niedergeschrieben, die Aussage eines Kindes: »Warum verhandeln Erwachsene über das Ende eines Krieges und hören nicht einfach damit auf?«
Aller Menschen Gedenkminuten ist verdammt viel Zeit um Besseres zu tun.
Ich lebe – das ist das Entscheidende
Wie lebe ich – das ist die Frage.
Ich halte einen Moment der Stille. Schüttle mich. Und mache mich an meine Arbeit. Ändern kann ich eh nur mich und mit dem was ich tue und nicht tue die Welt.