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Einwand 1: Ist (christlicher) Pazifismus nicht weltfremd und naiv?

Wenn in diesen Tagen der (christliche) Pazifismus als naiv bezeichnet wird, ist dies kein neuer, sondern ein bekannter und stets wiederkehrender Vorwurf. Quer durch die Geschichte wurden Menschen und Bewegungen, die sich der gängigen Logik von Gewalt und Gegenwalt widersetzt haben, belächelt. Die Mächtigen hielten sie jedoch oft für weit mehr als harmlose Spinner. Sie ahnten, was auf dem Spiel steht und fragten bange: »Was geschieht, wenn sie noch mehr Menschen zur Gewaltfreiheit verführen?« Die Antwort gaben sie häufig gleich selbst in Form von Verfolgung und Todesstrafe. Nicht zuletzt die Täufer können davon mehr als ein Lied singen. Die Frage »Was würde geschehen?« musste dadurch meist unbeantwortet bleiben. Schade, denn im Rückblick ist doch so manche Geschichte von Friedensstiftern überliefert, die mit ihrem angeblich »naiven« Pazifismus Blutvergiessen verhindert oder beendet haben. Es sind Geschichten von unerwarteten Wendungen, die möglich wurden, weil Menschen gerade im besten Sinne des Wortes »weltfremd« handelten. Sie übten sich in einer »Kultur des Friedens«, die ihnen einen alternativen Umgang mit Gewalt ermöglichte. Es stimmt daher nicht, dass christlicher Pazifismus grundsätzlich zum Scheitern verurteilt ist, obwohl es selbstverständlich keine Garantie dafür gibt, dass er immer zum gewünschten Erfolg führt. Aber dies gilt bekanntlich auch für militärische Interventionen. Bei alledem dürfen wir nicht vergessen, dass der christliche Pazifismus ein kostspieliger Weg ist. Auch dies verbindet ihn mit militärischen Interventionen. Die Hoffnung, mit intelligenten Waffen einen »sauberen« Krieg zu führen, mit dem sich gezielt und ohne weitere Opfer »bloss« die Terroristen töten lassen, hat sich längst als Illusion entpuppt. Besteht dann aber zwischen der nach wie vor nötigen Opferbereitschaft bewaffneter Soldaten und jener gewaltfreier Christen ein derart grosser Unterschied, dass nur Letzteres als naiv und weltfremd betrachtet werden muss?

Quelle: Mit Gewalt gegen Gewalt? Eine Stellungnahme aus friedenskirchlicher Optik | Kollegium des Theologisches Seminar Bienenberg