Beiträge aus der Kategorie “AllerWelts-Geschichten

Tore, Maria und Josef _ I

Veröffentlicht in 13. Dezember 2020

Eine Weihnachtsgeschichte in sechs Teilen // Teil 1 „Und Maria wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe. Denn sie hatten sonst keinen Platz in der Unterkunft gefunden“ äfft Finn seine Oma Geli nach. Omas Stimme kann Finn so gut nachmachen, dass selbst seine Mutter einmal hereingefallen ist. „Ist doch immer die gleiche Leier, Oma“. „Ja“, meint selbst Lilli. Und Lilli ist Oma-Fan. Lilli liebt es wenn Oma Geli Geschichten vorliest. Mit ihren fünf Jahren klar. Vermutlich sind alle Fünfjährigen Oma-Fans. Und natürlich auch Opa-Fans. Doch Opa Tore ist kein Vorleser. Er bringt es nicht übers Herz, immer dieselben Geschichten zigmal vorzulesen: eben das, was Finn bemängelt. Inkonsequent, weil Finn das Buch der Maulwürfe mehr als auswendig konnte und Opa trotzdem immer…

Vertauscht

Veröffentlicht in 11. August 2015

 Ein Mann, sein Pferd und sein Hund wanderten eine Straße entlang. Als sie nahe an einem riesigen Baum vorbeikamen, erschlug sie ein Blitz, alle drei. Doch der Mann bemerkte nicht, dass sie diese Welt bereits verlassen hatten, und wanderte mit seinen beiden Tieren weiter. Manchmal brauchen die Toten etwas Zeit, bis sie sich ihrer neuen Lage bewusst werden… […] Die Wanderung war sehr weit, führte bergauf und bergab, die Sonne brannte, und sie waren verschwitzt und durstig. An einer Wegbiegung sahen sie ein wunderschönes marmornes Tor, das zu einem mit Gold gepflasterten Platz führte, mit einem Brunnen in der Mitte, aus dem kristallklares Wasser floss. Der Wanderer wandte sich an den Mann, der das Tor bewachte. “Guten Tag.” “Guten Tag”, entgegnete der Wächter. “Ein…

Von Hecken und Rädern

Veröffentlicht in 11. Januar 2015

Ein Freund hat sich vor einigen Jahren einen ehemaligen kleinen Bahnhof gekauft. Mit Liebe und ohne Eile saniert. Als letztes hat er um das Grundstück eine Hecke gepflanzt. Als Sichtschutz und grünes Element. Hecke ist Natur. Diese Hecke wurde ihm nächtens kurz nach der Bepflanzung gestohlen. Wohlgemerkt eine Hecke. Nach der Erneuerung noch ein weiteres Mal. Mir wurde am gestrigen Abend mein fast neues Fahrrad geklaut. Nicht von der Stange. Aufgepimt. Einzigartig zumindest in der Region. Angekettet an einen Fahrradständer wohlgemerkt. Stuttgart. Mineralbäder. Mit einem Rad gehst du fast eine Beziehung ein. Gewöhnungsphase. Dann Freude. Keine Liebe. Deshalb ist der Diebstahl halbschlimm. Aber ärgerlich. Sehr sogar. Mit einem Fahrrad kannst du dich fortbewegen. Von A nach B. Zur Arbeit, Einkauf oder Schule. Oder du…

Freitage

Veröffentlicht in 6. Januar 2015

  Tschuldigung. Habe mich ein paar Tage nicht gemeldet. So hätte früher ein Brief lauten können, wenn man um Vergebung bittet. Hier im SeiterBlick gab es ein einige Tage nichts. Hoffentlich habt ihr ihn vermisst, wenigstens ein bisschen. Waren es ja doch 6387 Klicks in 2014. Danke dafür. Soviel zu Zahlen was mich null-komma-null interessiert. Zu schreiben hätte es viel gegeben – aber es waren FREITAGE. Nicht, dass ich heulend im tiefen Tunnel versunken. Nein. War auch nicht weg. Auch Internetempfang ok. Rechner läuft. Andere Gewichtungen gesetzt. Wie zum Beispiel angefangene Bücher zu Ende lesen. Sind auch Baustellen die »abgearbeitet« werden müssen. Angenehme. Und wurden. Über Schwaben wird gerne von »fleißig« gesprochen. Das könnte passen. Sprich wenn wir mal nichts tun – schaffen wir…

Verbotene Vögel

Veröffentlicht in 1. Dezember 2014

Die Politischen Gefangenen in Uruguay durften ohne Erlaubnis nicht reden, auch nicht pfeifen, lächeln, singen, schnell gehen oder andere Gefangene grüßen. Sie durften auch keine Bilder von schwangeren Frauen, Paaren, Schmetterlingen, Sternen oder Vögeln bekommen. Didako Perez war wegen »ideologischer Ideen« eingesperrt. Eines Tages wollte seine fünf Jahre alte Tochter Milay ihn sonntags besuchen und brachte eine selbstgemalte Zeichnung von einem Vogel mit. Die Gefängniswärter zerstörten das Bild am Eingang zum Gefängnis. Am folgenden Sonntag kam Milay mit einer Zeichnung mit Bäumen. Bäume sind nicht verboten und das Bild kommt durch. Didako lobt dieZeichnung seiner Tochter und fragt dann, was die die kleinen farbigen Punkte oben im Baum sind, die man kaum zwischen den Blättern sehen kann: »Sind das Orangen? Was für Früchte sind…

Wenn Ich

Veröffentlicht in 9. November 2014

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Es war einmal ein Mann, der schon immer davon geträumt hatte, Maler zu werden. Als kleiner Junge danach befragt, was er werden wolle, wenn er groß sei, antwortete er: »Ich will Maler werden« und dabei leuchteten seine Augen wie Sterne.

Nach der Schule machte er eine Lehre als Kaufmann, aber jedem, der fragte, erzählte er: »Nach dieser Lehre studiere ich Kunst und lerne, Bilder zu malen.« Und seine Augen strahlten.

Nach seiner Ausbildung wurde er übernommen und arbeitete Jahr für Jahr in derselben Frma. Immer am Jahresende sagte er feierlich: »Im nächsten Jahr fange ich zu malen an«, und seine Augen leuchteten wie früher.

Er wurde älter, schließlich Rentner und schließlich krank. »Wenn ich wieder gesund bin, werde ich Bilder malen«, sagte er sich. Doch die Kraft reichte nicht mehr, um seine Augen zum Leuchten zu bringen.

Auf seinem Grabstein stand unter seinem Namen: »Einer, der immer malen wollte und es nie getan hat«.

Quelle: Tanja Konnerth: Von einem, der Maler werden wollte.

 

 

x-beliebig

Veröffentlicht in 30. Oktober 2014

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Es ist eine Geschichte, die von Phantasie und Liebe erzählt. Und wie wildfremde Menschen sich für einen Moment davon anstecken lassen.
Stellen Sie sich vor: ein Speisewagen in einem ICE, unterwegs irgendwo zwischen Berlin und Leipzig. Voll mit Menschen, die mit ihrem Essen beschäftigt sind. Oder geschäftliche Dinge miteinander besprechen.
Plötzlich eine Frau am Ende des Ganges, vielleicht Mitte dreißig. Sie trägt einen Korb voller Rosen im Arm. »Bitte, hören Sie mir einen Moment zu«, sagt sie, und schaut in die Runde. »Jetzt schon wieder diese Nummer«, denken einige. »Nicht mal im Speisewagen hat man seine Ruhe.«
Die Frau sagt, dass sie die Tochter des Lokführers ist. Ihr Vater vorn auf der Lok fährt gerade seine letzte Fahrt. Gleich in Leipzig endet sein Berufsleben. Er habe immer bedauert, dass er nie die Menschen sehen würde, die er Jahr für Jahr befördert habe.
Das sei doch jetzt eine gute Gelegenheit, habe sie sich gedacht. Wenn jeder der Fahrgäste ihm bei der Ankunft eine der roten Rosen aus ihrem Korb überreichen würde.
Im Speisewagen ist es einen Moment still. Dann allseitiges Nicken. Jeder nimmt eine Rose. Der Manager, die Großmutter auf der Fahrt zu ihren Enkeln, der Bundeswehrsoldat. Als der Zug in Leipzig zum Stehen kommt, bewegt sich eine Menschenschlange auf die Lok zu. Viele Hände strecken sich dem Lokführer entgegen. Und überreichen ihm eine Rose. Fast jeder sagt noch ein freundliches Wort dazu. Tränen fließen. Schon nach kurzer Zeit ist der Führerstand übersät mit Rosen. Fassungslos steht das offizielle Verabschiedungskomitee der Bahn daneben, das dem Jubilar einen kleinen Strauß Blumen überreichen wollte.
Damit endet die Geschichte. Nein, sie endet damit gewiss nicht! Denn wer bei diesem Ereignis dabei war, wird es nicht vergessen. Die liebevolle Idee einer Tochter, die sich für ihren Vater etwas einfallen ließ. Die mitreißende Wirkung dieser Idee, die aus anonymen Besuchern eines x-beliebigen Speisewagens für einen Moment eine verschworene Gemeinschaft machte. Das Glück und die Freude, mit der sich alle miteinander beschenkt fühlten.
Wertschätzung und Achtsamkeit sind knappe Ressourcen in unserer Gesellschaft. Die Geschichte zeigt aber auch: es braucht nur eine kleine Prise davon – und alles verwandelt sich. Man könnte auch so sagen: Liebe kann Berge versetzen.

Quelle: Freude. Schätze aus 20 Jahren »Der andere Advent«, erzählt von Birgit Kummer

Teller Suppe

Veröffentlicht in 20. Juli 2014

Eine ältere Dame kauft sich einen Teller Suppe. Behutsam trägt sie die dampfende Köstlichkeit an einen Stehtisch und hängt ihre Handtasche darunter. Dann geht sie noch einmal zur Theke. Sie hat den Löffel vergessen. Als sie zum Tisch zurückkehrt, steht dort ein Afrikaner – schwarz, kraushaar, bunt wie ein Paradiesvogel – und löffelt die Suppe. Zuerst schaut die Frau ganz verduzt. Dann aber besinnt sie sich, lächelt den Mann an und beginnt ihren Löffel zu dem seinen in den Teller zu tauchen. Sie essen gemeinsam. Nach der Mahlzeit – unterhalten können sie sich kaum – spendiert der junge Mann ihr noch einen Kaffee und verabschiedet sich höflich. Als die Frau gehen will und unter den Tisch zur Handtasche greift, findet sie nichts. Alles weg.…