Von Aurich nach Aurich (Etappe 3)

Danke Andi für das aufmunternde „Achim, du bist auch schon schneller gelaufen“ auf meinen letzten 500 Meter. Das tat richtig gut – wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Während eines Laufes sind die Gedanken frei. Träumen erlaubt. Die 10k (9,7k ist kein vergleichendes Streckenmaß) unter 60 Minuten laufen.

Gleich zu Beginn bin ich am hiesigen Gummiplatz (freut sich jemand) vorbei gelaufen. Großflächig abgesperrt wegen Covid-19. Auf das Verbotsschild ist „Freiheit verboten!“ in schwarzen Buchstaben gekritzelt. Schöne Schrift. Beschäftigt mich über weite Teile des Laufens und macht meine sportliche Belastung weniger spürbar. Abgelenkt. Idealfall.

Über welche Freiheit sprechen wir noch gleich? Es beschäftigt mich diese Tage sehr, welches Denken Menschen umtreibt. Was und wie sie sich äußern. Was passiert mit uns? Mit mir als Teil der Gesellschaft? Die individuelle Definition des Begriffes Freiheit. Die ja unterschiedlich sein mag, darf und muss. Gerne. In mir trotzdem hin und wieder Kopfschütteln auslöst. Wenn ich in einem Mietshaus nachts um drei Saxophon übe, bin ich ein Narr. Unabhängig des Strafbestandes der Ruhestörung. Beispiel hinkt. Schränkt mich aber – zumindest in der Theorie – in meinem Freiheitsdenken ein. Ist das Nicht-Üben nun Unfreiheit oder nennen Menschen es Vernunft? Oder die Begründung dafür, warum jeder Mist „geregelt“ sein muss, damit Leben in freiheitlicher Gesellschaft funktioniert. Regeln in Malefiz machen das Spiel erst möglich, spannend, ärgerlich und damit spielenswert.

„Die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt“, sagt Kant oder auch jemand anderes. Nicht ich als Individuum spiele die erste Geige. Auf meine Person, selbstzugewandt und menschenverachtend, könnte dann getrost verzichtet werden. Selbst wenn ich sonst ein ganz feiner Kerl bin. Aber nicht auf mich als Teil eines Ganzen. Einer Familie. Eines Freundeskreises. Einer Arbeitsgruppe. Eines Orchesters oder einer Sportmannschaft. So meine Hoffnung. Das ist doch genug des Antriebs für Wohlbefinden in diesem Umfeld zu sorgen. Und damit für mich. Wenn ich dieses bewahren kann, sind das gute und edle Absichten. Es geht nicht um die hypothetische Frage der Kriegsdienstverweigerung anno paar Jahrzehnte zuvor oder ähnliches. Wenn ich mich zB picksen lassen soll – mache ich mir Gedanken wenn es soweit ist. Über den Sinn. Auch den Unsinn und entscheide mich im Sinne eines Ganzen. Was einem, dem Ganzen gut tut, notwendig ist. Die Anerkennung einer Pflicht ist mein positives Zu-Geben, mein persönlicher Schritt für eine Sache.


Als ich in der Grundschule von antiquierten Gesundheitsmenschen in weißen Kitteln einen Würfelzucker mit was drauf bekommen habe – habe ich damit mein Umfeld und mich geschützt. Als Kind hinterfrägst du nicht. Als Kind ist eine der Säulen eines fröhlichen Lebens Vertrauen und Vertrautheit. Es hat mir nicht geschadet. Niemand hat mir Böses gewollt. Obwohl ich in meiner Entscheidung nicht frei war. Werdet wie die Kinder, sagt Jesus an anderer Stelle.

Heute trage ich Maske oder Tuch. Wenn auch selbstkritisch unbeholfen, weil ungewohnt. So, dass auf Twitter wohl über mich gelacht werden würde (freut sich jemand).

Ob alles zu hinterfragen, hinter vielem dies oder das zu wittern glücklicher macht? Und was ist Wahrheit? Mit „wenn Gesellschaften sich nicht mehr darauf verständigen können, was wahr ist, können sie auch die drängenden Probleme des 21. Jahrhunderts nicht meistern“, lässt Michael Butter sein Buch enden. Und ein Minister sagte dieser Tage, „wir Menschen werden uns viel zu verzeihen haben“. Das wird so sein. Es möge uns gelingen.

Nein! Freiheit ist nicht verboten. Wenn dem so wäre, wünsche ich mir den Mut auf die Straße zu gehen und vorab das Geschick abzuwägen um welche Form der Freiheit es geht. Nie um die meines Willens wegen.

Die dritte Etappe bedeutet Halbzeit. Yeah. Bin heute lange Geraden gelaufen. Ungeliebt. Diese Stärken den Charakter heisst es. 57:56 Minuten für die 9.7k. Die 10k in 59:48. Ich habe mit meinen Möglichkeiten dafür gekämpft – lieber Andi.

Soundtrack: FisherZ