Es ist ein paar Tage her. Viele Tage. Besser Jahre. Viele Jahre. Möglicherweise 37 oder 38 Jahre her. Leute wie die Zeit vergeht.
Sitze mal wieder im Zug von Zürich nach Lugano. Ich reise gerne mit dem Zug. Lieber Schiene als Strasse. Es ist eine Frage der Zeit. Schiene ist Mehrzeit. Auch wenn du länger brauchst. Gedankenlos aus dem Fenster schauen. Ok. Es gibt Reisen die sind weniger prickelnd. Menschen können nerven. Im Auto hast du deine Ruhe. Ein Aspekt. Gut sind akzeptable Verbindungen. Weniger gut sind zig Umstiege. Und anschließende Endlos-Fahrten mit Vorort-Bussen.
Damals alternativlos. Hatte noch keinen Führerschein. Kleiner 18. Möglicherweise hätte ich sonst eher den Drang zur Autofahrt gehabt.
Heute mal wieder über die Alpen ins Tessin. Oder ist korrekter unten durch. Der neue Mega-Gotthardt-Tunnel. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los dass uns die Eidgenossen voraus sind was den Schienenverkehr angeht. Ja aber, sagen die Fachleute. Ist nur so eine Vermutung.
Beim letzten Mal noch an der Kirche von Wassen vorbei. Einem Wahrzeichen auf der Fahrt in den Süden. Einem Fixpunkt in der verwirrenden Linienführung der Kehrtunnels. Der im Zug Reisende sieht die Kirche dreimal von einer anderen Seite. Wer den Augenblick verpasst erzählt zumindest davon. Angelesen. Highlights sind die Verbrüderung der Traveller-Szene. Das Unten-Anstoßen der Woizabier-Trinker. Suchen und finden von Seinesgleichen. Einer Szene die gerne im Globetrotter-Store mit klugen Fragen protzt.
In Airolo auf der Südseite steigen drei junge Schweizerinnen ein. In etwa gleichen Alters wie ich. Rucksäcke. Verschwitzt. Nicht unangenehm. Es sind die Zeiten als die Wagen noch in Abteile gegliedert sind. Sechs Sitze. Drei auf jeder Seite. Ausziehbarer Mini-Wackeltisch. Ich sitze Fenster rechts. Verstehen konnte ich die Schweizerinnen nicht. Dialekt pur. Keine Anstrengung erkennbar – meine ich mich zu erinnern. Möglicherweise ein Hallo. Möglicherweise ein Ist-Hier-Frei. Möglicherweise habe ich nur genickt. Ein JA, ein YES gestammelt.
Vielfahrer zogen als Trick um ihr Abteil abzuschotten den Vorhang an der Schiebetür (die meist klemmte) zu. Ich war als Erster da. Mein Reich. Fremde nicht willkommen. Unter sich bleiben. Ich war mit diesen Methoden nicht vertraut. Vorhang offen. Türe auf. Schweizerinnen rein. Rucksäcke verstaut. Nur eine der Schweizerinnen kramt in ihrem Utensil, das auf dem mir gegenüberliegenden Sitz steht. Findet und zieht sich unerschrocken um. Für einen kurzen Augenblick sehe ich nackten Rücken. Noch kürzer Busen. Das erste Mal. Wichtige Dinge vergisst man nicht.