Dieser Text stammt von Werner Schulz. Geboren 1950, saß für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, später im EU-Parlament. Dort war der DDR-Bürgerrechtler u. a. stellvertretender Vorsitzender der Russland-Delegation.

»Ja, aber bitte intelligent und wirksam« Boykott ja, aber bitte intelligent und wirksam! Putin hat mit der militärischen Einverleibung der Krim das Völkerrecht gebrochen. Es wäre zwingend, ihm vor Augen zu führen, was es bedeuten würde, wenn Staaten der EU sich ebenfalls nicht mehr an das Völkerrecht hielten. Es gibt zum Beispiel das Abkommen von Montreux von 1936, das die Durchfahrt von Schiffen – vor allem von Kriegsschiffen – durch den Bosporus regelt. Dieses Abkommen ist von der damaligen Sowjetunion unterzeichnet worden. Wenn Putin sagt, er erkenne die Regierung in der Ukraine nicht an, weil es eine Übergangsregierung sei, könnte Europa es ähnlich machen: Die EU könnte darauf pochen, dass dieses Abkommen nicht mit Russland getroffen worden sei – und deshalb neu verhandelt werden muss. In der Zwischenzeit müsste der Bosporus gesperrt werden. Putin hätte so einen Pyrrhussieg errungen. Er möchte ja den Schwarzmeerhafen Sewastopol ausbauen und aufrüsten. Doch eine Schwarzmeerflotte könnte den Stützpunkt Syrien ohne Bosporus-Durchfahrt nicht mehr anlaufen, wäre praktisch auf dem Trockenen. Das würde Putin zum Einlenken zwingen, und zwar schnell. Alle anderen Maßnahmen halte ich für fragwürdig. Die Geschichte von Wirtschaftssanktionen ist sehr widersprüchlich. Die Elite ist von solchen Sanktionen wenig betroffen und dadurch kaum zur Kurskorrektur gezwungen. Nur wenn Europa Putin das Völkerrecht wirksam entgegenhält, würde der russische Präsident merken, dass er mit seiner neuen geostrategischen Politik nicht weit kommt.

Quelle: Publik-Forum