Die Fotografin Katrien Franken gehört zu den Menschen, die die Fähigkeit besitzen, etwas zu sehen, wo es für andere nichts zu sehen gibt. So war das auch, als sie auf den Ätna stieg, jenen Vulkan, den die Sizilianer wegen seiner Tobsuchtsanfälle fürchten. Für September war es recht kalt, schon unten in der Hotellobby hatte man ihr gesagt: Heute ist ein typischer Nebeltag. Und natürlich hatten die Einheimischen recht, mit jedem Höhenmeter wurde der Nebel dichter. Katrien Franken, die 1971 in den sehr flachen Niederlanden geboren wurde, sagt, dass sie solch einen Nebel noch nie erlebt habe. Bald begegnete sie kaum noch Wanderern bei ihrem Aufstieg. Die meisten waren enttäuscht wieder hinabgestiegen. »Die Leute haben wohl nicht das gesehen, was sie erwartet hatten«, vermutet Katrien Franken.

Die wenigen Wanderer, die sie noch traf, flackerten hier und da auf, als hätte sie sie sich nur eingebildet. Auf ihren Fotos sind die Menschen gerade noch zu erahnen. Trügen sie nicht ihre bunten Regenjacken, hätte sie der Nebel vollkommen verschluckt. Katrien Franken sagt, dort oben habe sie sich allem und nichts nahe gefühlt. Ihre Nebelbilder hat sie nach diesem seltsamen Gefühl benannt: I am Near.
Kann gut sein, dass sie nicht ein einziges Foto gemacht hätte, wenn die Sonne an diesem Septembertag geschienen hätte. Auf Reisen lässt sie sich treiben, fotografiert nur, wenn die Welt sich zufällig in einer dieser zauberhaften Konstellationen zeigt. Sonst ist Katrien Franken eine Fotografin, die fast pedantisch jede Kleinigkeit bedenkt, die ihr Bild transportieren soll.

Den Berg im Nebel zu bezwingen sei eine Herausforderung für sie gewesen, psychologisch. »Keine Grenzen zu sehen, die völlige Freiheit zu erfahren, das ist wie eine Konfrontation mit dem Nichts«, sagt sie. Vor ihren Augen habe sich die Vorstellung einer menschlichen Gemeinschaft aufgelöst, sogar die des eigenen Selbst. »Nichts kann nicht sein.«

Nach drei Tagen hatte sich der Nebel verzogen, und die Touristen stapften wieder los, die Kameras baumelten vor ihren Bäuchen. Katrien Franken ist nicht noch einmal auf den Ätna gestiegen, sie hatte genug gesehen.

Quelle: http://www.katrienfranken.com / DIE ZEIT