„Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“ Martin Luther soll diesen Satz gesagt haben, als er seine Überzeugungen vor den Mächtigen seiner Zeit widerrufen sollte. Manchmal sind es einzelne Sätze, die eine ganze Geschichte erzählen. „I have a dream – Ich habe einen Traum“ von Martin Luther King zum Beispiel. Oder „Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand“ von Arno Pötzsch.
Martin Luther hat, bevor er seine evangelische Auslegung der Bibel entdeckte, diese bittere Erfahrung machen müssen. „Wie kann ich Gott gerecht werden?“ – das war die Frage, die ihn umtrieb und die ihn zu manchen Selbstkasteiungen führten. Er betete, fastete, verrichtete die niedrigsten Arbeiten im Kloster, beichtete oft mehrere Male am Tag … aber eine Antwort auf seine Frage bekam er ebenso wenig wie er seinen Frieden mit Gott fand. Es hat gedauert, bis er begriffen hatte: Mit weltlichen Mitteln ist Gottes Reich nicht zu haben. So lernte er, die Bibel anders zu lesen, nicht mit menschlichen, sondern mit göttlichen Augen, weniger als Anspruch, vielmehr als Zusage, nicht mit Strenge, sondern mit Liebe. Und er entdeckte, dass der Mensch, bevor er überhaupt etwas zu tun im Stande ist, von Gott geliebt und angenommen ist. Dies war für Luther ein wahrhaftiger Befreiungsschlag. Denn nun musste er sich Gottes Liebe nicht mehr verdienen, was er von nun an tat, tat er, weil er sich dieser Liebe schon sicher sein konnte, und nicht, um sich diese Liebe zu sichern. Und das ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein himmelweiter Unterschied.
Diese Zuversicht, dass Gott uns fängt, und den Mut, unsere Überzeugungen auch gegen Widerstand zu vertreten, können wir von den Reformatoren lernen. Was sie bei ihrem Bibelstudium entdeckt haben, war diese Überzeugung: Wir müssen den Sinn unseres Lebens nicht irgendwie beweisen. Unser Leben hat Sinn, es ist gerechtfertigt, weil Gott es uns geschenkt hat. Aktueller kann eine Botschaft in Zeiten kaum sein, in denen Schlagzeilen uns täglich neue Krisen entgegenschreien.
Quelle: Margot Käßmann/ePistel