Manches passt einfach nicht zusammen: zwei Löffel Salz im Kaffee zum Beispiel … oder eine karierte Krawatte über einem gestreiften Hemd … oder Uli Hoeneß als Präsident auf Schalke … undenkbar. Es gibt Dinge, die gehen gar nicht, obwohl es theoretisch durchaus im Bereich des Möglichen wäre. Warum? Nun, das eine schmeckt einfach nicht, das andere sieht grauenhaft aus und das dritte ist ein sportliches Tabu. Denkt man darüber nach, sträuben sich die Nackenhaare, alles sagt einem, das ist nicht richtig, es ist falsch. So ist es auch mit der Finsternis und dem Licht: Entweder es ist hell oder es ist dunkel. Der Autor des 1. Johannesbriefes verknüpft nun diese Erkenntnis mit dem Leben eines/einer ChristIn. Sich zu Gott zu bekennen, aber nicht in seinem Sinne zu Handeln, das verträgt sich nicht. Denn darin steckt ein Widerspruch, ein Wort gegen Gott: eine Lüge.

Nun gibt es ja sehr unterschiedliche Arten von Lügen: Man kann bewusst die Unwahrheit sagen, um jemanden absichtlich zu täuschen. Dann gibt es die Notlüge, zu der man sich gezwungen fühlt, um vermeintlich Schlimmeres zu verhindern. Das Weglassen von Informationen kann auch wie eine Lüge wirken. Gelogen wird aus den unterschiedlichsten Gründen: aus Hinterlisst und Argwohn, aus Angst, aber auch aus Höflichkeit oder Scham. Manchmal verstrickt man sich in den Lügen, eine erfordert die nächste und irgendwann ist das ganze Leben nur noch eine Lüge. Oft belügt man andere Menschen, ich glaube aber, dass man am häufigsten sich selbst belügt. Im Predigttext wird ein Beispiel genannt: Wenn wir so tun, als wäre alles in Ordnung, wenn wir uns und anderen keine Fehler eingestehen wollen, wenn wir glauben, wir hätten alles im Griff und uns so benehmen, als seien wir auf niemanden angewiesen.

Für den Autor des 1. Johannesbriefes ist das nicht nur Selbstbetrug. In solch einem Verhalten, so schreibt er, stecke auch die Behauptung, Gott selbst sei ein Lügner. Dann wäre das ganze Leben Jesu eine Lüge und seine Worte Betrügerei. Denn wozu soll dann noch das Kreuz auf Golgatha gut gewesen sein? Es wäre sinnlos, weil unnütz. Jesus wäre lediglich eine weitere tragische Figur eines unschuldig Verurteilten, der auf grauenhafte Weise zu Tode gebracht wird. Und das wäre das Ende der Geschichte: kein weggerollter Stein, kein leeres Grab, keine Auferstehung. Perfekt zu sein hat ernste Konsequenzen: Denn wer ohne Sünde ist, der darf nicht nur den ersten Stein auf jene werfen, die er für unvollkommen hält. Er braucht auch keinen Gott! Wer aber keinen Gott braucht, läuft Gefahr, sich selbst dafür zu halten. Und welche fatalen Folgen das haben kann, wissen wir …

Es gibt eine Alternative, die in unserer von Erfolg und Leistung geprägten Welt allerdings Mut erfordert: zunächst sich selbst und dann auch gegenüber anderen die eigene Menschlichkeit und damit Unvollkommenheit einzugestehen. Wie schwer das sein kann, sehen wir meistens dann, wenn Prominente dazu gebracht werden, sich öffentlich zu einem Sachverhalt zu erklären, der ihnen Amt und Ansehen kosten kann. Christian Wulff ist uns dabei wohl am besten im Gedächtnis geblieben, aber es gibt auch andere: Adolf Sauerland, Jan Ullrich … Doch ich denke, wir müssen nicht erst öffentliche Pressekonferenzen bemühen. Wir wissen wohl selbst am besten, dass es Überwindung kostet, sich nicht zu verstellen. Die Frage ist: Vor wem können wir damit am ehesten aufhören und auf Unwahrheiten verzichten? Vor unseren Familienangehörigen? Vor Freunden? Vor einem Geistlichen? Vor uns selbst?

Der Predigttext denkt an jemand anderen: Gegenüber Gott können wir offen und ehrlich sein. Vor ihm etwas verbergen zu wollen wäre in etwa so, als versuchte man sich vor anderen zu verstecken, in dem man die Augen zu macht. Das bringt nichts. Und wäre auch nicht zu verstehen! Denn bei ihm haben wir die Chance, all das loszuwerden, was uns belastet. Und dazu gehören nun einmal auch und gerade die Dinge, auf die wir nicht stolz sein können und die uns an uns selbst zweifeln lassen. Und das Gute ist: Wir müssen nicht befürchten, ausgebootet zu werden. In unserer Gesellschaft wird das Zugeben von Schwächen und Fehlern oft genug bestraft. Bei Gott müssen wir uns darüber keine Sorgen machen. Er straft nicht, er befreit! Und Freiheit ist etwas, das wir selbst in unserem Land nötig haben: Nämlich die Freiheit, uns nicht verstellen zu müssen und dennoch respektiert und akzeptiert zu sein.

Aus diesem Gefühl des bedingungslosen Angenommenseins erwächst dann wohl die Motivation für das, was der Autor am Ende des Predigttextes von uns fordert: So zu leben, wie Jesus gelebt hat! Das geht wohl nur, wenn man diese tiefe Verbundenheit mit Gott spürt, auf die auch der 1. Johannesbrief immer wieder eingeht. Eine Verbundenheit, die in der maßlosen Liebe ihren Ursprung hat, mit der Gott uns alle liebt und für die auch das gilt, was Paulus im 1. Korintherbrief schreibt: dass sie das Böse nicht anrechnet und sich an der Wahrheit erfreut (1. Kor 13,5f.). Also: Trauen wir uns, unsere allzu menschlichen Seiten vor der Welt nicht zu verleugnen. Sie erst machen uns zu dem, was wir sind: Kinder Gottes, die sich nicht übereinander erheben, sondern sich wie Brüder und Schwestern auf Augenhöhe begegnen.

Quelle: ePistel

Die Bibel: 1. Johannes 1,5-2,6