Archiv für

Blau ist Bielefeld

Veröffentlicht in 31. Oktober 2015

Ein Autobahnparkplatz mit Raststätte in Nirgendwo. Ein Polizeikastenwagen. Zwei Busse voll mit vollen Fußballfans. Eine Hütte in Entfernung. 30 Minuten Pause. Und pissende Männer. Nicht Pinkeln. Pissen. Kein SaniFair. Raus aus dem Bus. Und dem kleinen Manne die große weite Welt zeigen. Und Pissen. »Übel krass«, sagt mein Gegenüber im Bus um halbsieben. Treffend. Irgendwie ein wohl gewohntes Bild. Scheint niemand zu stören. 360 Grad Pissen. Mich schon. Überzahl macht es nicht gewöhnlich. Für mich keine Option. Ich wähle SaniFair und mit meinem 50-Cent-Gutschein einen überteuerten Cappuccino. Die Hütte ist achtzig Meter von der Parkfläche weg. Am Waldrand gelegen. Eine Hütte in der Art, dass pinkelnde Männer in Unterzahl dort Zuflucht für ihre Erleichterung finden. Schamgefühl. Gewöhnlich. Und Graffitis. Auch ein gewohntes Bild. Und…

Der Blick der Blicke

Veröffentlicht in 28. Oktober 2015

1510_schimmer1200

Nebel. Der Tag bricht an. Schöne Stimmung, wenn sich die Lichter in der Luftfeuchtigkeit spiegeln. Einigermaßen in der Zeit. Grundregel: Übermäßiges Warten an der Haltestelle ist verschenkte Lebenszeit. Heute: Keine Eile notwendig. Morgens Rennen ist keine Option. Sieht so nach verschlafen aus. Wenn Rennen unabdinglich, dann möglichst unerkannt. Also dort wo du nicht gesehen wirst. Besser wo du meinst, dass du nicht gesehen wirst. Hört sich ähnlich an ist aber ein Riesenunterschied. Und dann rapide Tempo drosseln. Puls und Atmung reduzieren. Wie Biathleten (ich mag den Sport nicht, was aber eine andere Geschichte ist) kurz vor dem Schießplatz. Nur von elementarer Bedeutung. Kein Nachladen, Strafzeit oder Strafrunde. Schlimmer, den aufmunterten Blick des Ja-Ja-Gerade-Noch-Geschafft. Achim, der Mann ohne Nerven. Meine-Güte-Reicht-Doch-Dicke. Oder Dann-Steh-Halt-Früher-Auf. Menschen. Volk. Ahnungslose. Alles hat seinen Grund. Ich bin nicht mal so versehentlich in Eile.
Viele Menschen bewegen angeblich (wissenschaftliche Untersuchungen sind mir nicht bekannt) wegen diesem Abfahrzeitendruck  statt öffentlichem Nahverkehr ihr Vehikel. In der Rushhour Teil der Autoschlange zu sein. Sich schleichend vorwärts zu bewegen ist auch eine Form der Entschleunigung.
Eben wegen diesem Verkehr gefühlte tausende von Verbotsschildern entlang der Straße. Verkehren. Verkehrt. Seltsames Wortspiel.
In meinem nächsten Leben vermiete ich jedenfalls Verkehrszeichen. Wie es offiziell heisst.
Mhh… Nicht nur der Morgen – auch mir dämmert, dass die Parkverbotsschilder irgendwie auch für mich eine Bedeutung haben könnten. Nicht könnten. Haben. Baustelle in der Ortsmitte. Mhhhh (in h mehr wegen der morgendlichen Langsamkeit des Denkens)… Wo ist eigentlich die Bushaltestelle?
Nicht den blassesten Schimmer im Schimmerlicht. Eine gute Vorbereitung in die Woche sieht jedenfalls anders aus. In Gedanken stelle ich mir vor, wie der Bus an mir vorbeifährt. Verpasst. Die schläfrigen Gesichter der Pendler, die denken Ja-Da-Hätte-Er-Sich-Mal-Besser-Kundig-Gemacht. Danke.
Ich gehe davon aus, dass ich nicht als Einziger am heutigen Tag überrascht werde. Überrascht nicht im Sinne einer Überraschung, einer plötzlichen Freude. Überraschung als eigene Dussligkeit. Was soll’s.
Ich weiß nicht einmal wie der Bus jetzt fährt, stelle ich fest. Vielleicht gut, dass mir der Blick der Blicke erspart bleibt.
Normalen Schrittes – definitiv kein Renntempo – gehe ich zur alternativen Bushaltestelle. Next Bus up… Wohl den Menschen die nicht punktgenau von A nach B müssen. Oder einen Zeitpuffer haben. Oder gar beides.

amol nonder

Veröffentlicht in 12. Oktober 2015

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Auf der Heimfahrt spricht der Wetterbericht was von Hochnebel. Das Lautertal im Schwäbischen Wald sonnenüberflutet. Ein Traum von Oktobertag. Es hätte anders kommen können. Womöglich schlimmer. »Dem Lautertal-Bikemarathon eilt eher der Ruf eines Schlammrennens voraus«, meint Siggi. Womit wir beim Rennen sind.
Dass ich überhaupt rechtzeitig (sogar 10 Minuten zu früh) an der Startlinie stehe war Wettkampf eins. 10 nach 10 der Start. Fünf-Vor-Dreiviertelneun (für Nichtschwaben 08:40 Uhr) überlege ich – gerade dem Bett entstiegen (wegen swim-frodo-run) – Frühstück oder nicht. Zuhause wohlgemerkt. Ein weiterer hektischer Tag in Seiters-Leben scheint seinen Anfang zu nehmen. Frühstück. Gemütlich ist anders.
Rein in der Fahrradkluft. Dass am Vorabend nichts hingerichtet versteht sich von selbst. Ärgert mich immer ungemein. Alles gefunden. Einzig der linke Handschuh fehlt. Mist. Mangels Alternative (Zeitmangel) Entscheidung für die wärmere Windstopper-Variante. Ist ja Hochnebel angesagt… OK. Natürlich wusste ich im Vorfeld nicht wie das Wetter wird. Blick aus dem Fenster. Sonne. Alles gut.
Dann lief es wie am Schnürrle, wie man so sagt. Hinfahrt super (21 km über Berg und Tal). Die Sonntagsfahrer waren noch frühstücken. Die wenigen Ampeln auf grün. Parkplatz ohne Not. Startunterlagen ohne Anstehen. Als einer der Letzten war verständlicherweise das Trikot-Geschenk in meiner vorbestellten Grösse M aus. Bei der Online-Anmeldung gab es die Option kein Shirt nicht. Hätte sie gewählt. »Wollen Sie ein XL«? »Nein. Vielen Dank«. »Wirklich«? »Ja«. Bin eh nicht scharf auf die Teile. Für viele ein existentielles Gimmick. Der Pokal des kleinen Mannes. Für mich halt nicht. Passt und gut so.
Blick auf die Uhr. Wow. Schnell noch nen Kaffee aus der Kanne. Erstaunlicherweise 10 Minuten Restzeit vor dem Start. Gemütlich fahre ich mein SALSA zum Start. Getreu dem Motto: Wenn du schon nicht mit den schnellen Jungs mithalten kannst, dann falle wenigstens auf. »Bevor wir fall’n, fall’n wir lieber auf«, singen die Fantas. Das ist mir gelungen. Drei fröhliche Hallos mit lieben Menschen. Dann folgen 1:48 irgendwas. Bin nicht in der Ergebnisliste – deshalb irgendwas. Why ever. Nicht entscheidend. Die Zeit nicht berauschend. Berauschend einzig das Biken. War das (mit langem a) schön (langes ö). Irgendwo stöhnte (extrem kurzes ö) einer im schönsten (normal ö) schwäbisch »Goats hier amol au nonder«? Es ging. Und wie. Mit freundlichen Grüssen.

Frank McCourt

Veröffentlicht in 9. Oktober 2015

Eine High School in New York. Im Klassenzimmer geht es drunter und drüber – wie immer am ersten Schultag. Frank McCourt, der frisch gebackene Lehrer, betritt zum ersten Mal sein Klassenzimmer. Pete brüllt gerade: »Wer will mein Pausenbrot?« Andy lässt einen dummen Spruch ab und als Quittung fliegt ihm das Pausenbrot um die Ohren. Und irgendwie landet es direkt vor den Füßen des neuen Lehrers. Plötzlich wird es still in der Klasse. Frank McCourt weiß: jetzt entscheidet es sich, ob ich als Lehrer anerkannt werde oder nicht. Er sagt nichts, sondern folgt einer inneren Eingebung. Er bückt sich, hebt das Pausenbrot auf, wickelt es sorgfältig aus und beißt hinein. Er isst es vor den Augen der Klasse auf, und er genießt jeden Bissen. Frank…