Archiv für

Julimorgen

Veröffentlicht in 26. Juli 2015

Es muss dies eine von jenen Tagesfrühen gewesen sein, wie es solche im Juli gibt: neue ausgeruhte Stunden, in denen überall etwas Frohes, Unüberlegtes geschieht. Aus Millionen kleinen ununterdrückbaren Bewegungen setzt sich ein Mosaik überzeugtesten Daseins zusammen; die Dinge schwingen ineinander hinüber und hinaus in die Luft, und ihre Kühle macht den Schatten klar und die Sonne zu einem leichten, geistigen Schein. Da gibt es im Garten keine Hauptsache; alles ist überall, und man müsste in allem sein, um nichts zu versäumen. Rainer Maria Rilke

Wenn die Kurbel locker…

Veröffentlicht in 25. Juli 2015

 … dann ist die Kurbel locker. Das ist blöd. Richtig sogar. Du hast immer das schleichende Gefühl dass was abfällt. Dass dich der Trittschwung über den Lenker katapultiert. Geht das überhaupt? Du dir dabei die Schulter brichst. Die Freiheit des Vorwärtsdrangs verschwindet schlagartig. Dein Denken reduziert sich auf drei Dinge. Fuß (du spürst die Schraube). Konzentration 1 (was ist wenn). Konzentration 2 (Wegebeschaffenheit damit du nicht direkt auf die Fresse fällst).

Und natürlich die Suche auf die Antwort: Was kann ich tun?

Unlocker.

Alle 2km den Daumen als Inbus-Ersatz in die lockere Schraube zu drücken und im Uhrzeigersinn zu drehen – ist auf Dauer keine Lösung. Also Vierkantschlüssel besorgen. Gute Idee. Nur – es geht auf Mitternacht zu.

REWE-Supermarkt

Hat kein Werkzeug. Nicht mal der Hausmeister. Sorry sagt er und schiebt Kisten in das Außenlager. Und ich frage mich welche Menschen müssen ausgerechnet zu dieser Uhrzeit ihre Einkäufe tätigen. Heute nicht. Andrehen. Weiter die Zeit drängt.

Tankstelle eins

Haben fast alles was der REWE hat. Nur kleiner portioniert. Und teuer. Viel. Kein Werkzeug. Nicht mal leihweise. Rufe in mir nach der EU und einer Gesetzesänderung, dass Servicestationen zur Auflage bekommen Werkzeuge leihweise für „In-Not-Geratene“ zur Verfügung zu stellen zu haben. Die Daumeninnenseite nimmt die Form der Schraube an.

Polizeiposten

Keine gute Idee. Bin mir sicher das mein Bike nicht dem vorschriftsmäßigen Denken eines Polizeibeamten entsprechen könnte. Dazu Nachtschicht. Weiterfahren. Zackig. Daumen wird geschont. Schnell weg.

Biergarten

Ansammlung Menschen zu später Stunde. Wunderschöner lauer Sommerabend. »Achim?« Höre ich rufen. Das Fragezeichen in Form von Änderung der Tonlage von unten nach oben. Freude. Sie hat keinen Vierkantschlüssel am Schlüsselbund. Gut gemeint. Danke. Der Wirt auch nicht. Daumeneinsatz.

Tankstelle zwei

Ist gerade am dicht machen und macht mir durch die Panzerglasscheibe klar, dass er mir nicht helfen könne. Daumen raus. Anziehen. Weiter gehts.

Neonlicht. Wie? Ist das tatsächlich ein Feuerwehrgerätehaus? Nie aufgefallen. Ist auch keines wie sich herausstellen soll. Im Hinterhof brennt ein weiteres Licht. Hier könnte ein Tatort gedreht werden. Unter einer am Haus angebrachten Schimmerlicht-Laterne ein einsamer Raucher (in Anlehnung an den lonesome Cowboy). Der die Gunst der Stunde eines lauen Abends noch für die letzte Kippe nutzt. Feuerwehr? Im ärmellosen Shirt meint er, dass ich wohl falsch wäre. Suche einen Schraubenschlüssel. Kurbel locker. Kurze Zeit später drehe ich die Schraube an. Nach fest kommt ab, meint er wohlwollend. Spricht was von Drehmoment. Ich sage Danke und fahre in die Nacht. Im Lichtkegel einen Hasen über 200 Meter jagend. Hase gibt auf. Die Gedanken sind frei. Und nichts ist locker. Eine Wohltat.

Neon

Veröffentlicht in 21. Juli 2015

Neon war mal laut und grell, stand für Provokation, Gefahr und Techno: Aber spätestens seitdem die Büro-Radler neonfarbene Warnwesten tragen, ist das alte Neon verstummt. Neon schrie. Neon schrillte. Neon schmerzte. Gelb, Grün, Blau, Orange, Pink – immer grell, immer laut. Neon war das Andere, das Künstliche. Ein Kind des frühen 20. Jahrhunderts, ein Rabauke, ein Krachmacher, der zunächst Freunde in der Werbebranche fand. Bier, Bars, Zigaretten, Neon machte alles mit, liebte verruchte Schaufenster, war das Ecstasy New Yorks, lange bevor es Ecstasy gab. Hielt den Times Square wach, hielt New York wach, erweckte mit optischer Dauerbeschallung die Illusion der niemals schlafenden Stadt. Doch Neon war nie nur in der Mad-Men-Welt zu Hause. Neon ging auch dahin, wo es dreckig war, wo es wehtat,…